von
Dr. Zurab Papaskiri
Bejan Khorava
Bejan Khorava
Gemäß
der Entscheidung des internationalen olympischen Komitees sollen die
Winterspiele 2014 in der zur russischen Föderation gehörenden Stadt
Sotschi und Umgebung stattfinden. Diese Verlautbarung wurde im
Nordkaukasus unterschiedlich aufgenommen. Etliche Organisationen und
Gesellschaften in Adygeja-Tscherkessien äußerten offen ihre
negative Meinung über diese Entscheidung des IOCs. Dieser Protest
hat seine Gründe. Ursprünglich lebten bis zum Ende des
russisch-kaukasischen Krieges (1864) auf den Territorien, auf dem
die olympischen Spiele stattfinden sollen, Sanigen und Ubychen, eine
Bevölkerung adygeisch-tscherkessischer Abstammung. Es ist allgemein
bekannt, dass während dieses Krieges das russische Imperium den
großen Völkermord an der moslemischen Bevölkerung im Nordkaukasus
begangen hat - unter anderem an der Bevölkerung
abkhasisch-adygeischer Abstammung: Schapsughen, Ubychen, Sanigen und
Abchasen, die an der nordöstlichen Schwarzmeerküste im
Sotschi-Adler Raum lebten. Die zahlreichen Subethnien: Natkhuajer,
Schapsughen, Ubychen, Sanigen und Abchasen wurden ins osmanische
Reich vertrieben, wo sie sich mit den Einheimischen oder anderen
tscherkessischen Völkern vermischten und allmählich aus der
Geschichte verschwanden. Nur ein Teil der Schapsughen und Abchasen
blieb im Kaukasus zurück.
Die
heutige Russische Föderation lehnt die Anerkennung des damaligen
Völkermordes ab. Solange dieser Völkermord nicht anerkannt und die
ethnische Entfaltung der Tscherkessen in ihrer historischen Heimat
nicht gewährleistet wird, ist die Veranstaltung der Olympiade auf
dem Boden, auf dem der Völkermord stattfand, eine moralische
Verfehlung und widerspricht den Prinzipien des Internationalen
Olympischen Komitees - So die Volksorganisation der Republik Adygeja
„Kongress der Tscherkessen“ (Vorsitzender: Murat Bersegov)(1).
In der
Zeit der Antike und im Mittelalter lebten die zahlreichen Völker
adygeischer Herkunft an der nordöstlichen Küste des Schwarzen
Meeres. In den georgischen historischen Quellen werden sie unter dem
Namen „Jiken“ und deren Siedlungsraum als „Jiketi“
erwähnt(2). Im Mittelalter war ein beträchtliche Teil der Adygejer
aus der Sotschi-Tuapse Region in den georgischen
staatlich-politischen und kulturellen Raum integriert. Zum Ende des
8. Jahrhunderts durch die Vereinigung Westgeorgiens entstand der
westgeorgische Staat „Königreich von Egrissi und der Abchasen“,
dessen Grenze bis zum Fluss Nikofsis an der nord-östlichen Küste
des schwarzen Meeres reichte(3). Der heutige Name des Flusses
Nikofsis ist Netschepsucho, der nordwestlich von der Stadt Tuapse in
das Schwarze Meer mündet. Etwa 20 km weit von Tuapse, bei der
heutigen Siedlung Novomichailovsk, lag die Stadt Nikofsis, der
äußerste Punkt des alten Westgeorgiens(4). Laut den Chroniken des
11. Jahrhunderts „Annalen Georgiens“ schickte der abchasische
König Georg der II. (929-957) einen kachetischen Feudalherren [...]
nach Djiketi (5), was als Bestätigung dafür gilt, dass man Jiketi
zur damaligen Zeit als zum „Königreich der Abchasen“ gehörend
betrachtete.
Im 11.
Jahrhundert, als sich die gesamt-georgische Monarchie gebildet hat,
war Jiketi die Grenzregion des georgischen politisch-staatlichen
Raumes. Am Fluss Nikofsis bei der Stadt Nikofsis verlief die äußerste
nordwestliche Grenze des vereinten georgischen Königreiches. So war
es über die Jahrhunderte(6). Laut einem Geschichtsschreiber, der das
Leben des ersten König des vereinten Georgiens Bagrat des III.
erzählt, „herrschte er über den ganzen Kaukasus von Djiketi bis
zum Gurgeni“(7), d.h. bis zum Kaspischen Meer. Im Leben von Georg
Mtatsmindeli ist dokumentiert, dass Nikofsis im 11. Jahrhundert
innerhalb der georgischen Grenzen lag(8). Während der Herrschaft
David des Erbauers wurde die Formel erarbeitet, wonach sich das
Territorium des vereinten Georgiens „von Nikofsis bis zur
Darubandsee [2. Synonym für Kaspisches Meer /Übers.] und von Owseti
[Ossetien/Übers.] bis zum Aregats´i“ [Aragaz- Bergmassiv in
Armenien/Übers.] erstreckte (9). In der zweiten Hälfte des 15.
Jahrhunderts, als das vereinte Georgien zerfiel, trennte sich Jiketi
von Georgien, obwohl auf den Weltkarten des 16. - 17. Jahrhunderts
(u.a. in Russland erfassten) die offizielle georgische Grenze nach
wie vor bei der Stadt Nikofsis verlief (10).
Ab
Mitte des 16. Jahrhunderts stellte die russische expansionistische
Politik die Eroberungsfrage des Kaukasus auf die Tagesordnung. In den
Jahren 1567-1588 sind die ersten russischen Festungen und
militärischen Siedlungen im Nordkaukasus an den Flüssen Terek und
Koisu entstanden. Seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist
das Interesse noch mehr gewachsen. Für die führenden Schichten
Russlands erhielt diese Region zunehmende Bedeutung. Russland hatte
eigene wirtschaftliche Ziele und wollte sich den Zugang zum Schwarzen
Meer verschaffen, wodurch sich die Handelstore nach Mittelasien und
Nahost öffneten, um letzten Endes wirtschaftliche und politische
Hegemonie in Nahost
zu
erlangen (11).
1763
marschierten die russischen Armeeeinheiten in Kabardinien ein und
erbauten die Festung Mozdok am linken Flussufer des Terek, wo eine
Kosaken-Garnison stationierte wurde. Die verbitterten Kabardiner
verlangten den Abbau der Festung. Stattdessen rückte Russland mit
noch mehr Soldaten nach. Der hundertjährige russisch-kaukasische
Krieg hatte begonnen (1763-1864), der für die Bergvölker einen
anti-kolonialistischen, national-befreienden Charakter hatte, in dem
aber Russland die Eroberung des Nordkaukasus (bzw. des Zentral-,
West- und Ostkaukasus) beabsichtigte (12).
Anfang
des 19. Jahrhunderts schaffte es Russland, sich Georgien und andere
südkaukasische politische Einheiten einzuverleiben. Danach war die
Eroberung des Nordkaukasus das einzige dringliche,
politisch-strategische Ziel für den russischen Zarismus. Da Russland
erst den Südkaukasus einschloss, blieb dieser Teil vom russischen
Kernland abgetrennt. Solange Kuban und der Nordosten der
Schwarzmeerküste außerhalb seiner Kontrolle blieb, konnte Russland
seine Macht im Süden nicht sichern (13). Von der politischen
Eigenart des Zarismus ausgehend, begann Russland die kaukasische
Frage mit aller Kraft zu lösen.
1828-1829
nach der Niederlage im russisch-osmanischen Krieg erkannte der
osmanische Sultan den Nordwest-Kaukasus und die nordöstliche
Schwarzmeerküste als russischen Besitz an. Zwar gehörten diese
Gebiete nicht zum Osmanischen Reich, standen aber unter dem
politischen Einfluss „der Hohen Pforte“(14). In diesem Krieg
eroberten am 12. Juni 1828 die Russen Anapa, die bedeutende
Hafenstadt an der nordöstlichen Küste, die später zum
Expansionsstützpunkt Russlands wurde. Nikolaus I. gratulierte
Paskewitsch, dem Feldmarschall im Kaukasus, zu dem gegen die Osmanen
gewonnenen Krieg mit folgenden Worten: „Da Sie eine grandiose Sache
bis zum Ende geführt haben, erwartet Sie demnächst, meiner Meinung
nach, eine ebenso grandiose, aber auch aus der Sicht des direkten
Profits bedeutendere zu lösende Aufgabe – die völlige Eroberung
der Bergvölker oder deren Vernichtung“(15).
Die
Direktive des Imperators - „Entweder völlige Eroberung oder
Vernichtung der Bergvölker“ – weist in aller Deutlichkeit auf
das Wesen und das Ziel der zaristischen Kolonialpolitik im Kaukasus
hin. Es ist erwähnenswert, dass selbst eine liberal-demokratische
Kraft, wie es die Dekabristen im damaligen Russland waren, die
gleiche Ansicht teilten. Im Programmdokument „Russkaja Prawda“
[„Russische Wahrheit“/ Übers.] unterteilte P. Pestel, der Führer
der Gesellschaft „Südbund“ der Dekabristenbewegung, die
Kaukasusvölker in folgende Kategorien: die rebellisch- kämpferischen
und die friedlich-gehorsamen. Laut ihm war es notwendig, die ersten
ins Landesinnere zu verbannen, die zweiten allmählich zu
assimilieren und mit der in den Kaukasus übersiedelten russischen
Bevölkerung völlig zu vermischen(16). Später verfolgte der
Zarismus genau diese Ziele.
Nachdem
Russland die Iraner (1826-1828) und die Osmanen (1828-1829) besiegt
hatte, vermehrte es seine Aktivitäten im Nordkaukasus, unter anderem
an der nord-östlichen Schwarzmeerküste. Paskewitsch erarbeitete den
Plan zur Blitzeroberung der Bergvölker im Kaukasus, den Nikolaus I.
im Oktober 1829 genehmigte (17). Der Plan beabsichtigte, die im
Westkaukasus, nämlich an der nord-östlichen Schwarzmeerküste und
im Kuban lebenden adygeischen Stämme niederzuschlagen. Wofür, neben
den bestehenden […], der Bau von neuen Festungen, deren Anbindung
untereinander durch eine Küstenstraße und die Durchführung einiger
Expeditionen nach Kuban notwendig waren. Aus diesem Grund wurde die
„Expedition Abchasien“ gebildet, deren Ziel sowohl die Besetzung
und Sicherung der Küstenstraße zwischen Sokhumi und Anapa als auch
die Gewährleistung der Verkehrsanbindung auf dem Festland zwischen
den Festungen war - mit dem Endziel, das russische
militärisch-administrative Regime in den Bergregionen des Kaukasus
zu etablieren(18).
Im
Juli 1830 landeten Einheiten der russischen Sturmtruppen an der
abchasischen Küste und nahmen Gagra, Bitschwinta und Bombora ein,
wo sie strategisch wichtige Punkte besetzten und ihre Einheiten
stationierten. Trotz anfänglicher Erfolge wurde der Vormarsch der
russischen Truppen nordwestlich von Gagra durch den heftigen
Widerstand der Djicken und der Ubychen aufgehalten (19). Parallel
zur abchasischen Expedition überquerte I. Paskewitsch den Fluss
Kubanij und zerstörte einige Dörfer der Sapsuren. An dem Fluss
Kubanij sicherte er einige Forts (20). Die Ziele der Expedition
wurden nicht vollständig verwirklicht. Nordöstlich der
Schwarzmeerküste, zwischen den Flüssen Bzipi und Khosta (Khamischi)
lebten Djicken, ein abchasisch-adygeisches Bergvolk, deren
nördlichste Grenze im Kaukasus auf der Bergkette verlaufend, die
Wasser trennte. Ihre Wohngebiete waren geteilt in Berg- und
Küstengemeinden. Die Berggemeinden der Djicken waren: Pskhu im
Bereich des oberen Teils des Flusses Bzipi; Aibga im oberen Bereich
des Flusses Psou; Tsijdja, im Bereich des dem mittleren Teil des
Flusses Mzimta; Akhtschipschi, im oberen Bereich des Flusses Mzimta.
Die Küstengemeinden teilten sich, nach Adligen benannt,
folgendermaßen auf: Zan, zwischen den Flüssen Bzipi und Khaschupse;
Getsch, zwischen Khaschupse und Mzimta; Ard (Ared), zwischen Mzimta
und Khosta und zwischen Khosta und Schache lebten Ubychen. Zwischen
Schache und dem Fluss Pschada siedelten Schapsugebi und zwischen
Pschada und dem unteren Teil von Kubani befand sich der Sitz der
Natkhwadjen (21).
Im
Raum des Flusses Kubani lebten mehrheitlich adygeische (Tscherkessen)
und abasische Völker. In der Mitte des 19. Jahrhunderts waren die
wichtigen adygeischen Subethnien: Khabadyner, Beslenen, Temirgoien,
Bdjedugien, Khatukai, Machwaschi, Mamchegi, Egerukwi, Abasechi,
Schapsugi, Natkhwadjen. Auf der linken Seite des Flusses Kubani, an
der Stelle wo der Fluss Labi einmündet, lebten die Nogaelen,
türkischer Abstammung. Im westkaukasischen Hochgebirge, in Zol, am
Fluss Kuma, auf der linken Seite des Flusses Kuban, an der Quelle des
Flusses Labi lebten abasische Stämme: Tam, Kisilbeki, Schachgirai,
Baschilbai, Bag, Barakai, Baskhogi. Nur die Adygejer zusammen mit den
Khabadynern in den 30er und 40er Jahren des 19. Jahrhunderts waren
allein 500 000. Davon waren die meisten Schapsugen (ca. 200.000),
Abadsechier (ca. 160.000) und Nathkwadier (ca. 60000) (22).
Anzumerken ist, dass die Russen durch das ganze 19. Jahrhundert diese
Völker abfällig Stämme genannt haben.
Russland
brauchte viel Zeit, Kraft und materielle Ressourcen, um die
kaukasischen Bergvölker unter ihre Kontrolle zu bringen. Nach den
russisch-iranischen und den russisch-osmanischen Kriegen, in denen
Russlands Position im Kaukasus gefestigt wurde, schenkten die Russen
den kaukasischen Bergvölkern mehr Aufmerksamkeit. Um den Kaukasus zu
beherrschen war es unverzichtbar, die freien Bergvölker zu
unterwerfen. In den Dreißigerjahren des 19. Jahrhunderts hielt sich
die russische Militärführung zurück, eine Offensive zu starten.
Sie beschränkte sich darauf, die Festungen von Anapa und Gagra zu
halten. In dieser Zeit schenkte die zaristische Verwaltung dem
nordöstlichen Kaukasus, den tschetschenisch-dagestanischen
Militärmaßnahmen größere Aufmerksamkeit, obwohl parallel dazu
auch russische Militärexpeditionen in den Westkaukasus stattfanden.
In der Zeit des Barons Rosen (1831-1837), des Generals des
kaukasischen Militärkorps, wurde durch die Ansiedlung von Kosaken
zwischen den Flüssen Kubani und Labi der Grundstein gelegt, um die
Kubaniflußebene und den Vorkaukasus zu besetzen. Die kaukasische
Militärführung baute an der Schwarzmeerküste Festungen und
Straßen, was die zaristische Herrschaft in dieser Gegend noch weiter
festigte. In der Führungszeit von General E. Golowin (1837-1842)
baute die russische Generalität an wichtigen Punkten der östlichen
Schwarzmeerküste Festungen und in den besetzten Territorien Straßen.
In der Regel wurden die Festungen und Forts an Flussmündungen
gebaut, um die Urbevölkerung von der Außenwelt, in erster Linie von
dem Kontakt mit den Osmanen und Engländern, abzuschneiden. Die
Russen festigten ihre Macht an den Küsten des Schwarzen Meeres, die
russische Flotte gewann gute Voraussetzung für ihre Herrschaft auf
dem Schwarzen Meer. 1837 besuchte Nikolaus I. höchstpersönlich den
Kaukasus. Während seines Aufenthaltes in Anapa befahl er die
Beschleunigung des Baus dieser Forts. Die Armee sollte die gesamte
tscherkessische Küste besetzen (23). 1837 wurden an der
nordöstlichen Küste des Schwarzen Meeres folgende Festungen gebaut:
Swijatogo dukha (Adler), an der Mündung des Flusses Mzimta, an der
Landzunge bei Adler; Nowo-Troitskoje, an der Mündung des Flusses
Pschadi; Michailowskoje, am Fluss Wulani, 1838 Fort Alexandria, was
im nächsten Jahr in Nawaginskij umbenannt wurde (beim Fluss
Sotschi); Welijaminowkoje, beim Fluss Tuapse; Tengiskoje, beim Fluss
Schapsukho; Noworosijskij, in der Biegung des Zemessi; 1839 Fort
Golowinskij (am Zusammenfluss von Subaschi und Schachi) und Fort
Lazarjewskoje beim Fluss Psesuapse (24).
1839
wurden alle Festungen an der Ostküste des Schwarzen Meeres durch
Straßen miteinander verbunden. Alle diese Festungen mit den dort
stationierten Truppen bildeten zusammen eine Linie des
Schwarzmeersystems. Nordöstlich des Schwarzen Meeres lebende
Djicken, Ubychen, Schapsugen, Natkhwadjen überfielen andauernd die
russischen Festungen und die Truppen und versetzten sie in andauernde
Angst. Anfang 1840 verstärkten sie ihre Attacken gegen die
russischen Truppen. Sie waren im Bilde darüber, dass die Festungen
nicht genügend gesichert waren. Die stationierten Garnisonen waren
nicht groß. Die Soldaten hatten diverse Probleme. U.a. waren sie
nicht ausreichend bewaffnet. Dadurch ermutigte Bergvölker
attackierten im Februar/März Lazarjewskoje, Welijaminowkoje und
Michailowskoje (25).
Die
russische Militärführung ging davon aus, dass an der
Schwarzmeerküste solange keine Ruhe herrschen würde, solange die
Ubychen nicht unterworfen seien. Anfang 1841 stürmten die russischen
Truppen über Djiketi und den Fluss Mzimta. Sie zerstörten einige
Dörfer und gelangten bis zur Naanginskij Festung. Aber in das
Landesinnere, in die Berge, gelangten sie nicht. Die Ubychen
leisteten heftigen Widerstand. Von neun Söhnen des siebzigjährigen
Ubychenanführers Hadschi Dagumokwa Barsegi fielen vier im Kampf und
die anderen wurden verwundet. Die Expedition kehrte Anfang November
nach Adler zurück (26). Ein reales Ergebnis hat diese
Militärexpedition nach Ubychien nicht erbracht.
Während
des Krimkriegs 1853-1855 war die russische Führung gezwungen, die
Festungen an der Schwarzmeerostküste zu räumen und zu sprengen.
Nach dem Krieg attackierte die russische Führung mit verstärkten
Kräften die kaukasischen Bergvölker. Der ungleiche Kampf dauerte
an. Das zaristische Russland konzentrierte seine Kräfte. Das
Kaukasische Korps wurde zu Armeegröße aufgestockt. Der Verwalter
des Zaren und Befehlshaber A. Barjatinki (1856-1862) konzentrierte
sich hauptsächlich auf Tschetschenien und Dagestan, aber er war sich
darüber im Klaren, dass ohne die Einbindung des nordöstlichen
Schwarzen Meeres eine Eroberung des Westkaukasus unmöglich wäre. Im
Januar 1858 vernichteten die russischen Truppen die Dörfer der
Abadsechier am Fluss Qurdjipse und am Fluss Pschekha, Dörfer der
Schachgireen am oberen Fluss Khodsi und 23 Dörfer der Natkhwadjen.
Sie gründeten sechs Stationen an den Flüssen Urupi, Tegeni und dem
großen Selentschuk (27). Im Januar/Februar 1859 bestürmten die
russischen Truppen die Bergvölker zwischen den Flüssen Laba und
Belaja. Mit Feuer und Schwert vernichteten sie deren Dörfer und
deren Hab und Gut. Deshalb stürmten sie die Dörfer im Winter.
Bjedugen, Beslenen, Makhwschen, kubanische Nogaider, Temirgois,
Egerukwen, und Schakhgiren waren gezwungen ihren Widerstand
aufzugeben und sich zu unterwerfen (28).
Am 25.
August 1859 ergab sich Schamil, der berühmte Anführer des
nationalen Befreiungskampfes der kaukasischen Bergvölker. Russland
hatte den nordöstlichen Kaukasus, Tschetschenien und Dagestan
erobert und damit endete eine wichtige Etappe des kaukasischen
Krieges. Mit Beendigung der Kriegshandlungen im nordöstlichen
Kaukasus erkannten die Bergvölker, dass eine Fortsetzung des Krieges
sinnlos sein würde und entschieden sich, um nicht unter dem Joch des
kolonialen Regimes leben zu müssen, ins osmanische Reich
überzusiedeln. Russland hatte keine Einwände, ganz im Gegenteil, es
beförderte dies sogar, weil die russische Regierung sich nach der
Umsiedlung der ungehorsamen Bergvölker erhoffte, dass ein stabiler
Frieden einkehren würde. Außerdem wurden die großen frei
gewordenen Landstriche von den Neusiedlern, die für kolonialistische
Ziele benutzt wurden, in Besitz genommen. Sie bildeten eine stabile
Stütze des kolonialen Regimes. So sind hunderttausend Dagestaner,
Tschetschenen, Osseten übergesiedelt. Wie ein treuer Beamter des
zaristischen Regimes, E. Weidenbaum bemerkte, „die kaukasischen
Bergvölker, die gegen Russland mit großen Selbstopfern gekämpft
hatten, sind als Verlierer, aber keineswegs als Unterworfene, ins
osmanische Reich gegangen“ (29).
Nach
der Eroberung des nordöstlichen Kaukasus setzten die größeren
westkaukasischen Bergvölker, die Adygen und Abasen, den Kampf fort.
Deshalb beorderte die russische Militärführung die Haupteinheiten
der kaukasischen Armee mit 200.000 Mann in den Westkaukasus.
Alexander II. (1855-1881) forderte von der Militärführung, dass der
anhaltende Krieg, der Unmengen an Mitteln aufbrauchte, schnell zu
beenden sei. Russland brauchte einen schnellen Sieg, um nach der
Niederlage im Krimkrieg (1853-1856) sein Ansehen in Europa
wiederherzustellen (30). Im September 1860 hat der Oberbefehlshaber
der kaukasischen Armee und Vertreter des Zaren A. Barjatinki in
Wladikawkas eine Strategiesitzung anberaumt, um Maßnahmen für eine
schnelle Beendigung des Krieges zu besprechen. Auf dieser Sitzung
wurde entschieden, um die Unterwerfung der westkaukasischen Völker
voranzutreiben, eine Offensive im oberen Bereich des Flusses Laba und
Belaya zu beginnen und von dort aus die Abadzechen, Schapsugen und
Ubychen in Richtung Meer zu treiben. Sofern sie sich weigern würden,
in die Steppen von Stawropol umzusiedeln, sollten sie ins osmanische
Reich umsiedeln und in ihrer Heimat sollten sich Russen,
hauptsächlich Kosaken, ansiedeln. Die russische Militärführung war
der Auffassung, dass ohne diese Maßnahme die Eroberung des Kaukasus
nicht endgültig sein könnte (31). Die russische Kolonialisierung
sollte nicht nur die Landnahme abschließen, sondern sie war ein
Hauptmittel der Eroberung (32). Damals dieser heißen Spur folgend
schrieb R. Fadeejew: „Die westlichen Gebirge müssen umgehend und
ohne jegliche Rücksicht auf Verluste eingenommen werden“ (33).
Um
also den Kaukasus zu unterwerfen, wurde als Hauptmittel die
militärische Kolonialisierung angesehen. Bislang wurden gegen die
kaukasischen Bergvölker Expeditionen ausgeschickt, sie besiegten sie
und unterwarfen sie, aber danach kämpften sie trotzdem weiter gegen
die Russen. Das verursachte sehr große Verluste an Soldaten, während
aber das Land unbesiegt blieb. Nun wurde beschlossen, die
ergebnislosen Militärexpeditionen abzubrechen und stattdessen in den
Bergen mit einer systematischen Schaffung von Kosakensiedlungen zu
beginnen. Die kaukasischen Bergvölker sollten in die Niederungen
oder ins osmanische Reich umsiedeln. Auf diesem Wege versuchte die
russische Regierung den kaukasischen Völkern ihren natürlichen
Schutz, die Berge, zu nehmen. Mit der Ansiedlung in die Ebenen
wollten sie sie unter ihre administrative Kontrolle bringen und mit
der Umsiedlung ins osmanische Reich ihre Bevölkerungsanzahl im Land
schwächen. Später im Oktober 1861 hat A. Barjatinki offen geäußert,
dass das Ziel der Umsiedlung der westkaukasischen Völker darin
bestand, „die kaukasischen Täler zu entvölkern und die sehr
schönen und fruchtbaren Gegenden für die kosakische Bevölkerung zu
erschließen“ (34).
Im
Januar/Februar 1861 begannen die Russen mit einer Militäroffensive
in Richtung der Nordhänge des Kaukasus, gegen die Schapsugen. Sie
holzten die Wälder ab und bauten Straßen und Festungen. Bald
stellte die russische Generalität den Abazechen ein Ultimatum zur
Umsiedlung nach Kuban. Im April begannen sie mit einer großflächigen
Offensive und zwanzig Tage lang sind sie mit Feuer und Schwert tief
in die Gegend zwischen den Flüssen Laba und und Bellaia, dort wo der
Fluss Chodzi mündet, eingedrungen. Abazechen, Machwaschen, Egerukwen
versuchten, sich im Gebirge in Sicherheit zu bringen. Im Juni waren
bereits die beiden Ufer des Flusses Bellaia in russischer Hand. Aber
die Abazechen leisteten weiterhin Widerstand (35). Die
westkaukasische Gebirgsbevölkerung sah die großen Gefahren und
verbündeten sich noch stärker miteinander. Nach einer Initiative
der Ubychen im Juni 1861 versammelten sich sämtliche
westkaukasischen Völker im Flusstal Sotschi und wählte einen Rat
aus fünfzehn Personen, der sich Medjlisi nannte. Das gesamte
Territorium wurde in zwölf Bezirke unterteilt. In jedem Bezirk gab
es einen Mufti, einen Kadi und einen Mamasachlisi (Verwalter).
Äußerlich ähnelte diese Organisation dem Imammadi-System, aber es
hatte keinen so stark theokratischen Charakter. Die Bergbevölkerung
versuchte über die Selbstorganisation hinaus eine Unterstützung im
Osmanischen Reich und in England zu finden. Einer der Anführer der
Ubychen Kerentuch Barseg und das Medjlisi-Mitglied Ismail
Barakhai-Ifa Dziaschi richteten einen Brief an den englischen Konsul
Dixon in Suchumi mit der Bitte, dass er seiner Regierung über die
russische Aggression gegen die Tscherkessen informieren und zu einer
Stellungnahme bewegen sollte (36).
Im
September 1861 traf Alexander II. in den Kriegsgebieten ein. Am 18.
September gab es Audienz des Zar eine mit den Gesandten der
westkaukasischen Bergvölker, den Abazechen, Schapsugen, den Ubychen
u.a. Sie baten darum, als Untertanen auf ihrem angestammten Gebiet
weiter leben zu dürfen. Aber der Zar lehnte dieses Anliegen
kategorisch ab und verkündete stattdessen, dass er ihnen einen Monat
Zeit gäbe, zu überlegen, entweder in die Niederungen von Kubani
oder ins Osmanische Reich überzusiedeln (37). Für die Bergvölker
war offensichtlich, dass sie mit der Umsiedlung in die Niederungen
von Kuban und Laba ihre Unabhängigkeit und Freiheit verlieren
würden. Deren größerer Teil wollte auch von einer Umsiedlung ins
Osmanische Reich nichts wissen. Daher kamen Sie der Aufforderung des
Zaren nicht nach und im November wurde der Krieg erneut fortgesetzt.
Die russische Militärführung siedelte intensiv Kosaken in den
Gegenden der Natkhwadjen und der Schapsugen an. Den Natkhwadjen wurde
Land entlang des Kuban zugewiesen. Zwischen dem Frühjahr 1861 und
dem Frühjahr 1862 entstanden im Kubani Bezirk fünfunddreißig
Staniza (Siedlungen) (38). Anfang 1862 waren die russischen Einheiten
schon am Fuß des Kaukasus, unmittelbar vor dem Siedlungsgebiet der
Ubychen, angelangt. Dieses Ereignis war 1862 ein Anlass für eine
Sonderversammlung des Medjlisi. Dieser beschloss, einen Gesandten
mit der Bitte um Unterstützung nach Istanbul, Paris und London zu
schicken (39). Im Juni 1862 versuchten die Abazechen und Schapsugen
noch einmal, die russische Armee zu stoppen. Fünftausend Ubychen
kamen zur Hilfe. Im Juni/Juli wurde sehr hart gekämpft. Obwohl die
Bergbevölkerung aufgeben musste, leistet sie doch weiterhin
Widerstand (40). Gleichzeitig hat die Deputation des Medjlisi unter
der Leitung von Ismail Barakhai-Ifa Dziaschi Istanbul und eine ganze
Reihe europäischer Staaten besucht und dort um Unterstützung
geworben, aber ohne Ergebnisse. Ende 1862 traf sich die Deputation
der Bergvölker mit dem polnischen Revolutionär Theophil Lapinski,
der an der Seite der kaukasischen Völker gekämpft hatte und mit dem
Premierminister von Großbritannien Lord Palmerston und bat um Hilfe
gegen die russische Aggression. Th. Lipinski hielt eine flammende
Rede und vertrat den Standpunkt, dass Europa kein gleichgültiger
Beobachter gegenüber dieser kaukasischen Tragödie sein könne.
Notwendig wären energische Maßnahmen, um die russischen Kräfte zu
paralysieren. Europa sollte etwas dazu beitragen, um die russischen
Kräfte im Süden zu zersplittern, damit die Bergvölker vor der
Vernichtung gerettet werden können. Th. Lipinski hat große
Hoffnungen auf England gesetzt, weil England in „östlichen Fragen“
Russlands Gegner war. Halmerston hörte aufmerksam zu, aber ihm war
bewusst, dass der Einmarsch Russlands in den Kaukasus unaufhaltsam
war. Deswegen verweigerte er die Unterstützung (41).
Anfang
1863 wurden schließlich die Abazechen von den Russen eingekesselt.
Sie waren gezwungen, mit den Russen zu verhandeln, aber die russische
Militärführung stellte ein Ultimatum, dass vorsah, dass sie nach
Kuban oder ins Osmanische Reich zu gehen hätten. Die Abazechen
wollten die Heimat nicht verlassen. Im April griffen die Russen an
und die Abazechen bemerkten im Gefolge der Armee eine Unmenge von
Neusiedlern, die sofort das eroberte Gebiet in Besitz nahmen.
Daraufhin verloren die Abazechen ihren Mut und als einziger Ausweg
blieb ihnen nur, ins osmanische Reich überzusiedeln. Die Abazechen
baten General N. Ewdokimow, eine organisierte Übersiedlung zu
gewährleisten, worauf der letztere sogar seine Unterstützung
versprach (42). Gleichzeitig attackierten die Russen die
Schwarzmeerküste im Bereich der Schapsugen und im Sommer 1863
setzten die russische Einheiten die militärischen Maßnahmen gegen
die Schapsugen, Natkhwadjen und Abazechen fort, bauten Straßen und
errichteten wie geplant weiterhin Wehrdörfer. Im Sommer wurden in
dieser Gegend zwanzig neue Staniza errichtet, aus denen zwei
Kosakenbataillone gebildet wurden. Zwischen 1860 und 1863 wurden im
Kubani-Bezirk achtundfünfzig Staniza mit zehntausend Familien
errichtet (43).
Im
Oktober/November unterwarfen die Russen die Schapsugen endgültig und
im Dezember drangen sie bis zur Mündung des Flusses Schapsugo vor.
D.h., dass gegen Ende 1863 der ganze Nordwesten des Kaukasus von den
Russen erobert wurde. Es blieben nur die Südhänge des Kaukasus und
die Schwarzmeerküste, wo ein Teil der Schapsugen, Ubychen und
Djicken lebten. 1863, am 10. Dezember, schrieb der Stellvertreter des
Zaren und Oberbefehlshaber der kaukasischen Armee, Großfürst
Michail Nikolajewitsch Romanow (1862-1881): „Die endgültige
Befriedung des Kaukasus sollte durch die Ansiedlung russischer
Bevölkerung östlich der Schwarzmeerküste erfolgen. Diese für den
Staat wichtige Maßnahme soll in naher Zukunft stattfinden. Mit
Kosaken-Staniza sind die Landstriche schon besetzt. Von der
Kubani-Mündung bis zur Cemisi-Bucht und bis zur Mündung des Flusses
Djuba ist der Küstenstreifen schon gesäubert. Bis zum Frühjahr
soll auf den verbliebenen Territorien, die für die Ansiedlung der
Kosaken vorgesehen sind und die durch seinen besonderen Beschluss des
Zaren besiegelt wurde, niemand von der Bergbevölkerung leben
bleiben. Wenn uns die Auslandsangelegenheit nicht hindern, dann
erhoffe ich für den nächsten Sommer die Säuberung des
Küstenbereichs sogar bis zum Fluss Bsipi, wie es auch nach diesem
Beschluss vorgesehen ist (44). Also hatte die Regierung schon
entschieden, die Schwarzmeerküste bis zum Fluss Bsipi mit Kosaken zu
besiedeln. Der Zarenvertreter Michail Nikolajewitsch Romanow
beabsichtigte, die Meereswirtschaft, den Fischfang und die
Kosakenlandwirtschaft zu fördern.
Fortsetzung
folgt
1.
Kongress der Tscherkessen gegen die olympischen Winterspiele in
Sotschi,
siehe:
http://ewnc.org/node/953
2. Z.
Anchabadeze, M. Tzintzadze: Georgien und Nordkaukasus im 12.
Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts; Georgien
in der Rustaweli-Ära, Seite 151, Tbilissi 1966
3. Z.
Anchabadze: Aus der Geschichte des mittelalterlichen Abchasiens
(VI-XVII), Sokhumi 1959, S. 110. Skizzen aus der Geschichte
Georgiens, Bd. II, S. 283, Tbilissi 1988.
4. Z.
Anchabadze „Aus der Geschichte des mittelalterlichen Abchasiens“,
S. 110;
L.
Lavrow „Ethnographie des Kaukasus“, L …, S. 168, 1982.
5.
„Annalen Georgiens“ („Kartlis ckhovreba“) Textanalyse aller
wesentlichen Skripte von S. Kaukhchishvili, Buch I, S. 268, Tbilissi
1955.
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