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Gesellschaft für bedrohte Völker
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Einige Bemerkungen zu den Veröffentlichungen der Gesellschaft für bedrohte Völker
Durch die aktuelle Lage in Kaukasus, wird im Internet viel zum Thema recherchiert. Wir sind auf Ihre Homepage aufmerksam geworden. Dabei sind uns zwei Artikel aufgefallen:
„Abchasien/Südossetien
Minderheitenkonflikte gerecht lösen: Autonomiestatus für Abchasien - Wiedervereinigung der Osseten - Proporzregelung für alle Minderheiten - Beispielhafte Friedensinitiative für Flüchtlingsrückkehr von Außenminister Steinmeier fortsetzen!“ von 29.August 2008
Der Generalsekretär der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) Tilman Zülch „appelliert an die Bundesregierung, die lobenswerte und beispielhafte Friedensinitiative von Außenminister Frank-Walter Steinmeier fortzusetzen. (http://www.gfbv.de/pressemit.php?id=1521)
Auf eine Initiative, wie die von Herrn Steinmeier haben alle Betroffenen seit langem gewartet. Dieser Friedensplan kam aber sehr verspätet, da sich in dem vorangehenden Zeitraum, besonderes seit 2004, seit Russland seine Provokationen mit besonderer Intensität fortgesetzt hat, die Lage erheblich zugespitzt hat.
In dem oben genannten Artikel schlägt die GfbV vor, „das zurzeit russische Nordossetien mit dem völkerrechtlich zu Georgien gehörenden Südossetien zu vereinigen und diese Eigenstaatlichkeit durch Georgien und Russland garantieren zu lassen. Den nicht ossetischen Nationalitäten, einschließlich der georgischen Rückkehrer, soll eine Proporzregelung nach Südtiroler Modell die Gleichberechtigung in Administration und Öffentlichem Leben garantieren.“ Dieser neuen Ordnung von Staaten liegt bestimmt von Seiten des GfbV der ehrlich gemeinte Wunsch zugrunde, die Probleme zu lösen. Allerdings ist eine gewisse Unkenntnis bezüglich der Gesamtproblematik, im besonderen des internationalem Rechts und der Mangel an Vorstellungskraft, was eine derartige Lösung überhaupt bedeuten würde, unverkennbar. Bei unseren vielen Recherchen zum Thema, sind wir nie auf solche oder ähnliche Problemslösungen gestoßen und daraus schließen wir, dass die Idee der GfbV aus guten Gründen von der Weltgemeinschaft nicht ernsthaft in Erwägung gezogen wird. Der in diesen Vorschlägen zum Ausdruck kommende politische Dilletantismus ist für die Kaukasusregion mehr als gefährlich. Die heutigen geopolitischen Modelle zeichnen sich eh schon durch eine erhebliche Unkenntnis der regionalen Bedingungen aus. In der Kaukasusregion wurden nach der Oktoberrevolution sehr tiefe Wunden hinterlassen und diese werden schwer jemals heilbar sein, wenn abstrakte Spekulationen über tatsächliche oder vermeintliche ökonomische Interessen weiterhin Priorität genießen. Uns ist nicht verständlich, warum die GfbV diesen Trend durch noch abstraktere Sozialexperimente forciert wissen will.
Für uns war aber eine andere Veröffentlichung der GfbV eine weitere Überraschung:
„Für eine Bleiberechtsregelung in Deutschland „Kurdische Yezidi aus Georgien“.
(http://www.gfbv.de/inhaltsDok.php?id=680&highlight=georgien)
Darin schreibt die Autorin Frau Sarah Reinke, „Anfang der 1990er Jahre flohen Tausende kurdischer Yeziden vor Verfolgung und Diskriminierung aus Georgien nach Deutschland.“
Diese Aussage basiert einzig auf Aussagen von „Asylanwälte und Flüchtlingshilfsorganisationen“, die angeblich „seit langem zahlreiche Belege geliefert dafür, dass die kurdischen Yeziden in Georgien als Gruppe und aufgrund ihrer Religion verfolgt werden.“ Wie es auch im Telefongespräch mit dem Mitarbeiter der GfbV, Herrn Sido, bestätigt wurde, basiert diese Aussage allein auf Einzelschicksalen. Anderes formuliert, es sind Personen, die in Deutschland ein Asylrecht suchen. Es ist bekannt dass die historischen Ereignisse vom Anfang der 90er Jahre eine Flüchtlingswelle ausgelöst haben.
Die Auskünfte der Autorin, wie, „ca. 1 Million Menschen emigrierten, die meisten Menschen verließen Georgien zwischen 1993 und 1995, viele von ihnen gehörten Minderheiten an“,- entbehrt jeder realen Grundlage. In den 90-er Jahren begann eine neue Zeit. Der „kalte Krieg“ war vorbei. Westen und Osten haben ein Abkommen ohne eine Vision abgeschlossen. Menschen jenseits des „eisernen Vorhangs“ sind in dem eingetretenen Chaos alleine gelassen worden. Die Weltpolitik ist noch nicht so weit, mindestens eine Zukunftsvision zu vermitteln.
Grosse Auswanderungs- Wellen waren einerseits eine natürliche Folge nach 70 Jahren Totalitarismus, andererseits aber auch Folge des wirtschaftlichen Zusammenbruchs. Diese Gründe und sind aber bekannt und haben mit Minderheitenproblemen nichts zu tun.
Die Situation der Kurden insgesamt soll von uns hier nicht diskutiert werden. Wir möchten lediglich klären, ob die kurdische Bevölkerungsgruppe tatsächlich in Georgien verfolgt wurde. In Georgien selbst gibt es 300.000 Flüchtlinge, Georgier aus Abkhasien und weitere aus Shida Kartli (Süd Ossetien). Diese sind aber überwiegend weiter in den anderen Teilen von Georgien, viele auch zerstreut in Russland. Diese Krisen und die weitere politische Lage in Georgien haben zu einem Zusammenbruch der Wirtschaft beigetragen und es ist bekannt, dass viele Menschen einen neuen Anfang in Europa versucht haben. Diese nennt man hier im Westen „Wirtschaftsflüchtlinge“ und diese Gruppe von Menschen war von keiner Verfolgung bedroht. Weiter schreibt die Autorin, dass „..die großen Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder Human Rights Watch (...) sich mit dieser Gruppe (Yeziden in Georgien) nicht beschäftigt“ haben. Das hat nur einen einzigen Grund, nämlich den, dass es in Georgien eine Verfolgung von Kurden niemals gegeben hat. Mehr noch: in Georgien haben Kurden alle Möglichkeiten gehabt, sich zu entfalten. Es ist zweifellos wahr, dass diese Möglichkeit mit der politischen Entwicklungen ab den 90er Jahre sehr abgenommen hat. Die Verschlechterung der gesellschaftlichen Situation ist auf einen Gesamtzustand zurückzuführen und nicht auf eine Benachteilung der kurdischen Mitbürger. Die gesamte Bevölkerung Georgiens litt unter den politischen und wirtschaftlichen Folgen des Umbruchs und den separatistischer Bewegungen, die von Russland unterstützt wurden. Weiter im Text ihrer Autorin: “ In Georgien selbst gibt es keine Menschenrechtsorganisation, die zuverlässig Informationen zur Verfügung stellt.“ Georgien befindet sich wie oben schon beschrieben wurde in einer Krisenlage. Trotzdem, im Vergleich zu anderen postsowjetischen Ländern haben die NGOs und die Zivilgesellschaft große Fortschritte gemacht. Das bestätigen viele unabhängige internationale Organisationen. Im Gespräch mit der GfbV hat diese zugegeben, dass sie in Georgien nicht recherchiert hat und mit Ihren Möglichkeiten nicht in der Lage sei, solches zu unternehmen. „...Wie viele Yeziden in Georgien leben ist nicht genau bekannt.“, - schreibt weiter die Autorin. Wir fragen uns, wie kann es sein, dass man für kurdische Rechte in Georgien kämpfen möchte und nicht vor Ort Informationen gesammelt hat. Uns hat es einen Anruf gekostet die Telefonnummern von 7 georgisch-kurdischen Organisationen ausfindig zu machen. Außerdem gibt es natürlich Menschenrechtsorganisationen in Georgien und die sind gerade z. Z. vorwiegend besorgt, dass die Finanzierung für kurdische Kulturarbeit gefährdet ist.
Hier übrigens eine Liste von den kurdischen Organisationen in Georgien:
Agid Mirzoev | Georgia Kurd-Ezids National Congress/ Multinational Georgia | 899 55 18 97 |
Lili Safarova | Georgia Kurd-Ezids Women Independent League | 61 86 90; 893 68 68 05; 61 86 90 |
Rostom Atashev | Georgia Ezids Association | 774573; 899 568394 |
Kerim Anyos | International Fund of Kurds Rights | 30 77 75; 37 88 23 |
Tamaz Avdaliani | G. Samoev Kurds Rights Fund | 977 466743 |
Grigori Kakliani | South Caucasus Kurds Union | 899 57 97 57; 39 75 99 |
Giorgi Amariani | | 855 90 06 02 |
Tengiz Sheihbavki | | 899 19 76 18 |
Vitali Nabiev | Ezids Union | 893 58 03 79 |
Ozmanian Lusia | Ezids Union | 893 18 22 16 |
Schon diese zahlreichen Vertretungen bei einer Bevölkerungszahl von 4 Millionen Georgiern macht deutlich, dass in Georgien die Kurdische Bevölkerung mindestens eine Plattform hat, um sich zu äußern. Wir möchten nicht bestreiten, dass für die Kurden, wie auch für andere Bevölkerungsgruppen in Georgien bestimmt mehr zu tun wäre. Die Bestrebungen Georgiens, sich demokratisch zu entwickeln, sind in den letzten Jahren bewiesen worden. Eine moderne demokratische Gesellschaft mit seinen wiederbelebten historischen multikulturellen Wurzeln ist das Ziel aller Georgier. Genau diese Bestrebung wurde leider zum Verhängnis für Georgien.
Wenn man berücksichtigt, welche Krisen in Georgien zu bewältigen sind, ist es kein Wunder, dass das georgische Kultusministerium in diesem Jahr 3mln GL (ca. 150 Mio. Euro) streichen musste. Es ist zu bedauern, dass sehr viele gute Projekte zum stehen gekommen sind und dass darunter die ganze Bevölkerung zusammen zu leiden hat.
Wir möchten hier keine Kritik an einzelnen Menschen üben, die aus wirtschaftlichen Schwierigkeiten ein Asyl im Westen suchen und dafür bestimmte Mittel einsetzt. Von einer seriösen Organisation erwartet man aber eine kompetente Einschätzung der Lage, vor allem keine blinde Verteidigung und Stellungsnahme zu Dingen die nur zu einer negative Entwicklungen beitragen können. Vielleicht sollten Sie sich einmal die Frage stellen, warum eine der ältesten Religionsformen, die des Yezidentums im Kaukasus, in Georgien überhaupt überlebt hat? Es ist zwar richtig, dass es zwischen Kurden und Georgier wenig „Zusammenarbeit“ gab. Das ist aber auf die Tradition der Yeziden zurückzuführen. Die Autorin selbst erklärt uns die Religion dieser Bevölkerungsgruppe folgendermaßen, „als Yezide muss man geboren sein.“ Ich, als Verfasserin dieses Textes, kann mich an meine kurdischen Mitschüler sehr gut erinnern, unsere Spiele „im kurdischen Hof“, kurdische Feiern, bei denen die Kurden eigentlich unter sich sein wollten, aber manchmal doch die georgischen Freunde eingeladen haben. Ich kann Ihnen sagen, dass das eine der schönsten Erinnerungen meiner Kindheit ist. Dazu gehören auch die Bilder aus den 70ern, in denen die Kurden in den Straßen von Tbilisi mit ihrer wunderschönen bunten traditionellen Kleidung zu sehen waren. Das erlebt man heute leider kaum mehr.
Jede verloren gegangene Tradition ist eine Hoffnung weniger, verarmt unsere Zukunft in der Bestrebung eine humane globale Gesellschaft zu entwickeln. Oberflächliche Analysen des Zusammenlebens der Georgier und Kurden, sowie auch andere uns bekannte Einschätzungen zum Thema zeigen uns, wie unbekannt die kaukasische Kultur im heutigen Europa insgesamt ist.
Die korrupten Strukturen des Innenministeriums in Georgien waren eine Last für die gesamte dortige Bevölkerung. Die gewaltigen Reformen der letzten Jahre haben in Georgien in dieser Hinsicht zu Verbesserungen geführt und z. Z. ist die Korruption so gut wie abgeschafft. Das Vertrauen in die polizeilichen Kräfte in Georgien ist zufriedenstellend. Natürlich, auch auf dem Weg der Demokratisierung, dem Aufbau der Zivilgesellschaft ist noch sehr viel zu tun und in der Gesellschaft sind starke Bestrebung in Richtung Demokratisierung zu beobachten. Wenn aber von außen unterstützte separatistische Bewegungen und die aggressive Politik Russlands weiter dieses gegenwärtige Ausmaß beibehält, wird das für alle Bürger Georgiens gleiche Benachteilungen bringen und der Demokratie droht eine dauerhafte Krise.
„...Die kurdisch-yezidische Kultur in Georgien erlebte in den 1970er Jahren einen Aufwind. Es entstanden Musikgruppen und das damals weltweit einzige kurdische Theater. Im staatlichen Radio waren wöchentlich 15 Minuten den Kurden und ihrer Sprache gewidmet. In den russischen Schulen gab es fünf Klassen, in denen in Kurmanci, die yezidischen Muttersprache, unterrichtet wurde...“ Das Problem bei solchen Beschreibungen ist, dass die Geschehnisse einseitig dargestellt werden und sich nicht auf zeithistorische Analysen beziehen. Die 70er Jahre waren in der damaligen Sowjetrepublik Georgien der einzige vergleichsweise ruhige Zeitraum, in dem wir uns kulturell entfalten konnten. Das betrifft die gesamte Kultur dort. Die Analyse der damaligen Verhältnisse würden unseren Rahmen hier sprengen, aber es ist interessant - gerade auch für die heutigen Diskussionen über den Kaukasus Krieg - zu sehen, was für ein Potenzial dort für eine demokratische Entwicklung vorhanden war. Die 70er Jahre waren die Zeit, in der sich das Land nach dem zweiten Weltkrieg erholt hat, im Kreml regiert Breshnev und diese s. g. „zastoi“ Ära war trotzdem ein Boden für die Kultur. Die neue Künstlergeneration und die Gesellschaft hat gelernt mit dem korrupten Staatssystemen umzugehen und nützen diese Gelegenheit.
Wir möchten nicht jedes Wort der Autorin kritisieren, aber wir möchten trotzdem anmerken, dass die besagten 5 Klassen in den russischen Schulen eine Möglichkeit darstellten, die Kapazitäten des Schulsystems logistisch zu verteilen. Deshalb gab es eine russische Schule für die Minderheiten, in der die Klassen nicht so überfüllt waren, wie in den georgischen Schulen.
Von dem GfbV würden wir uns wünschen, dass sie diese Veröffentlichungen überdenkt und sich mit unsere Kritik sachlich auseinander setzten würde. Wir können natürlich die weiteren Arbeiten der GfbV nicht überprüfen, um uns ein umfassendes Bild von dieser Organisation uns zu verschaffen. Wir kennen die Arbeit der GfbV zum Thema Tschetschenien und bemerken positiv, dass sie einiges für ein Asylrecht für Tschetschenen in Deutschland geleistet haben, das unter Kohls und später Schröders Regierung aus bekannten Gründe in Deutschland nicht anerkannt wurde. Wir erwarten mehr kompetente Recherche seitens der GfbV und nicht die Instrumentalisierung der Themen.
Kaukasus ist ein Region in Europa, wo immer Minderheiten miteinander seit Jahrhunderten lebten. Jede politische Entscheidung im Kaukasus, die nicht dessen historisch-kulturellen Kontext berücksichtigt, hat keine Zukunft. Heute ist es die Aufgabe Europas, diese einzigartigen kleinen Völker von der Bedrohung und dem Aussterben zu schützen. Nur dann kann eine an ökonomischer Entwicklung interessierte Politik Zukunft haben. Die kulturellen Werte werden in den globalen Entwicklungen in unserer Epoche bei weitem nicht ausreichend berücksichtigt. Eine bisher orientierungslose Politik hat das Anbrechen einer neuen Ära nicht richtig erkannt. Vielleicht ist die aktuelle Krise im Kaukasus eine Chance für die Welt, um zu handeln, eine klare Vision zu entwickeln, wozu und mit welchen Mittel wir besser zusammen für unsere Zukunft sorgen können.
Marika Lapauri-Burk
Lile e. V.
Hamburg/Oktober 2008
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