Gia Edzgweradze
1953 geboren in Tbilisi, Seit 1989 lebt und arbeitet er in Deutschland
Gastprofessor an der UdK Berlin. Lehrauftrag für Aktzeichenklasse an der Kunstakademie Düsseldorf. Teilnehmer an mehreren internationalen Ausstellungen. Einzelausstellungen, Projekte. 1998 ausgezeichnet mit dem Ehrenorden der Republik Georgien für besondere Verdienste im Bereich Kultur
Not a better future
(streng für Individuen)
von Gia Edzgweradze
Bevor wir die Potenzen einer jeden menschlichen Aktivität analysieren, müssen wir uns zunächst den imaginären Raum vorstellen, in dem sich sämtliche Typen dieser Entfaltungen abspielen. Dieser Raum heißt Zukunft. Versuchen wir zu durchdenken, was dieser Begriff meint und was er uns anbietet, denn der Terminus Zukunft ist ja nicht so naiv und treuherzig offen, wie er uns auf den ersten Blick erscheint – ganz im Gegenteil, er ist durch die Erfahrung unserer Geschichte streng determiniert.
Wir wollen uns die Frage stellen, wie wir das Gesicht unserer unmittelbaren Zukunft sehen, das von den grundlegenden Zügen der Geschichte der Neuzeit geprägt ist, und wie die Aktualität beschaffen ist, die es uns anbietet.
Verfolgen wir also die Erscheinungen der jüngsten historischen Vergangenheit und zeichnen anhand von ihnen die Grundintuition unserer Zukunftsperspektiven.
Bekanntlich haben die fundamentalen Entdeckungen auf dem Gebiet der Quantenmechanik, die im vorigen Jahrhundert gemacht worden sind, den Ruf der Wissenschaft als Lieferant ewiger und unumstößlicher Gesetze über die physikalische Welt um uns herum vollständig untergraben. Diese Tatsache hat leider alle unsere Hoffnungen zerstört, dass es auf der Welt irgendeine objektive Unveränderlichkeit geben könnte, eine wie auch immer geartete Stetigkeit als Grundlage für alles Folgende.
Das vorige Jahrhundert hat sich schließlich klargemacht, dass der lange währende Versuch, der Welt Liebe zu predigen, gescheitert ist. Und wie es mit allen Lehren geschieht, die essentiell auf Sinnlichkeit beruhen, verwandelte auch er sich in ein Register kalter, dürrer Instruktionen und Anweisungen. Dank dieses langen, schmerzhaften Versuchs wurde der Menschheit klar, dass die Geschichte nicht linear verläuft, und damit waren alle Hoffnungen auf Dialektik beseitigt. Vor kurzem erst haben wir nun auch entdeckt, dass sich das Objekt ganz einfach im Signifikat aufgelöst hat, während sich das Subjekt entpuppt hat als Bricolage ohne jede Chance auf Transformation in ein reines, in sich geschlossenes Wesen. Summiert man diese und noch viele weitere Begleitfakten, so kann man sagen, dass wir im Verlauf der beiden letzten Jahrhunderte den Zusammenbruch sämtlicher Spielarten der Großnarrative und ihrer Utopien erlebt haben. Diese Beobachtung hat uns aller Hoffnungen auf die Chance eines kollektiven Durchbruchs beraubt, den die menschliche Gesellschaft lange als Wunschtraum gehegt hat.
Es ist traurig, doch wir müssen uns eingestehen, dass uns alle Anstrengungen im kommunalen Raum (in der Wissenschaft, in der Religion, im kreativen Schaffen, in der Politik, im sozialen Leben) zu nichts Wesentlichem geführt, sondern nur die deprimierende Tatsache aufgedeckt haben, dass unsere Hoffnungen zerschellt sind, die Menschheit könne auf dem Weg der ethischen Entwicklung auch nur irgendeine bedeutsame Vorwärtsbewegung machen. Die Erfahrung zeigt, dass die gesamte menschliche Aktivität darauf hinausläuft, die Manifestationsformen der Maya (des Glasperlenspiels in der westlichen Variante) endlos zu vermehren.
Die Zukunft als Projektion des edlen Ziels der Menschheit, in gemeinsamer Anstrengung das eigene Geschick zu besiegen, ist prinzipiell aufgehoben; sie hat sich erschöpft und als sinnlos erwiesen. Sisyphos ist bei seiner Arbeit geblieben.
Doch obwohl sich der Hintergrund so ausweg- und hoffnungslos darstellt, ist etwas sehr Merkwürdiges und Interessantes geschehen: Mit dem Scheitern aller hochgespannten Hoffnungen auf die Zukunft und ihre Befreiung von den in sie gesetzten idealistischen Heilsbestrebungen ist diese Zukunft plötzlich rosig geworden und erfreut sich in der Gesellschaft größter Beliebtheit. Diese Lageveränderung hat den tief verborgenen Drang der Menschen aufgedeckt, die Zukunft zu privatisieren, ohne Gewissensbisse dabei zu empfinden. Wir erkennen den brennenden, unbekümmerten Wunsch der Menschen, die Zukunft mit ihren privaten Problemen zu erfüllen: mit sozialen, ökologischen, ethnischen, Gender- und Generationenproblemen, eben mit alldem, was heute unser kulturelles Bewusstsein erfüllt, und womit sich im wesentlichen alle öffentlichen intellektuellen und kreativ-emotionalen Bewegungen befassen. (Im Kunstbetrieb ist dieses Bild sehr klar zu sehen – die letzten großen Ausstellungen wie die Documenta, Biennale oder Manifesta waren vollständig in diese unmittelbar menschliche Problematik verpackt.) Die Menschen haben mit ekstatischer Begeisterung reagiert, als klar wurde, dass die Zukunft nun dem privaten Komfort der Menschheit dienen werde. Sie würde die Welt auf jede erdenkliche Weise für das menschliche Wesen angenehmer machen und ihm günstige Daseinsbedingungen schaffen ... Die Zukunft ist damit zur weltweit gefeierten Größe geworden.
Ein Satz existiert heute, der in den Ohren des Zeitgenossen so natürlich klingt, dass er ihm ewig gültig erscheint. Diese Wortverbindung, diese Idee, wird als so positiv wahrgenommen, dass ein Mensch, der ihr dient, wahrscheinlich als treuer Diener der Menschheit angesehen wird. Und wenn sich jemand erdreistet, ihren absoluten Nutzen zu leugnen, so wird er als Nihilist, Philister oder gar Menschenfeind abgestempelt. Man kann heute im öffentlichen Raum wohl nur schwer einen anderen Satz finden, der bei den Menschen auf größere Begeisterung treffen würde.
Dieser beliebte Satz lautet: „Wir wollen Zukunft, und zwar eine bessere Zukunft.“ (Mit Zukunft sind hier nicht die künftigen Zeitabschnitte wie Sekunde, Minute, Tag, Jahr usw. gemeint, wir verstehen darunter unsere Gier, diese zu besitzen.)
Ist es jedoch richtig, wenn wir denken, dass sich die Welt seit jeher für die Zukunft begeistert und eine bessere Zukunft erstrebt hat? Nein, dieser Satz ist kein von der menschlichen Tiefenkonstitution bestimmter globaler Wunsch, dessen Erfüllung gefordert wird. Er ist lediglich ein kulturelles Konstrukt, das von Zeit zu Zeit aktiv verfolgt wird und sich dann wieder verflüchtigt – je nach dem Charakter des Epistems, das die Form des kulturellen Bewusstseins in einer konkreten Periode der historischen Zeit determiniert.
Wie dem auch sei, zu jeder Zeit und an jedem Ort, wo diese beiden Wörter „besser“ und „Zukunft“ zu einem Begriff verschmelzen, bedeutet dies immer, dass es die Menschen zu Frieden, Harmonie und Reichtum drängt. Sie hoffen, sich lange und gesund an der Welt erfreuen zu können. Doch durchdenken wir einmal diese Situation: Ist dieser verlockende Traum, diese für unser Ohr so wohlklingende Wortverbindung, wirklich so naiv ungetrübt, wie es auf den ersten Blick erscheint?
In welchem Verhältnis steht dieser gemeinschaftliche, vor jeglichem Zweifel bewahrte Drang zur Individualität und deren einzigartiger Potenz, dem Schicksal den letzten Kampf anzusagen? Stellen wir uns die Frage, ob in diesem kostbaren öffentlichen Traum Platz ist für die rare Seele, die es über unser irdisches Dasein hinauszieht, über das Gemeinschaftliche hinaus, über Zeit und Raum, zu jenem Ort, der postkulturelle Offenheit heißt – über das „Menschliche“ und die „menschliche Zukunft“ hinaus?
Eins liegt auf der Hand: Die Begeisterung unserer Gesellschaft für die Perspektiven der Zukunft entspringt dem instinktiven Wunsch des Menschen, „die Zukunft zu privatisieren“, um die Potenzen unserer Gegenwart auf der Welt noch tiefer und fundamentaler zu verbrauchen. Dieser Wunsch (dem der gemeinschaftliche Raum so gewogen ist) ist die Hauptbarriere für die andere, noch fundamentalere Eigenschaft der menschlichen Natur, nämlich die Bereitschaft, sich um des Symbolischen willen zu opfern, ein Wesenszug, der die Einzigartigkeit des Menschen unter allen anderen Geschöpfen bestimmt. Diese Eigenschaft nun und mit ihr zusammen ihr Träger, das „ethische Individuum“, sind in der Gesellschaft, die der Idee der Zukunft exaltiert anhängt, vollkommen vergessen und marginalisiert. Genauer gesagt, in unserer heutigen Situation hat sich diese dem Menschen einst so freigebig geschenkte Chance als marginalisiert erwiesen. Jesus hat sich nicht für unsere „bessere Zukunft“ und unser „besseres Leben“ geopfert, sondern um einen Präzedenzfall zu schaffen und ein lebendiges Beispiel zu geben für das Opferbewusstsein als einzigem Weg, den Menschen zum Zustand der grenzenlosen Bewusstheit jenseits der „besseren“ und „privaten“ „Zukunft“ zu führen. Diese drei Wörter werden sich niemals mit Opferbereitschaft verbinden lassen, doch die ganze Welt giert nach ihnen.
Die symbolische Weisung, „gib dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“, hat in unserer heutigen Situation zu einem völligen Ungleichgewicht geführt.
Buddha, der große Lehrer des Aufgebens aller Pläne und Träume von Perspektiven und Entwicklungen, hat als erstes das Wort „besser“ abgeschafft. Wie wir wissen, lehrte er, dass die Welt Leiden ist. Ähnlich drückten sich auch viele antike Denker aus: „Du solltest besser nicht geboren werden, Mensch!“ Bedenkt man diese Deklarationen, dann klingt die Sorge um die Zukunft, gelinde gesagt, wie ein tiefer Irrtum.
Das „Gemeinschaftliche“, die „Zukunft“, „besser“ – alle diese Begriffe kennzeichnen eine absurde Praxis, nämlich die auf Zukunftsträumen aufgebaute „Privatisierung der Existenz“. Innerhalb dieser Praxis ist die Chance des Individuums dem Vergessen anheim gegeben, niemand schert sich um sie, die Potenz der Opferbereitschaft wird herabgewürdigt, die Chance des unverzüglichen Durchbruchs wird ignoriert, ist nicht „in“. Kafkas „Hungerkünstler“ stirbt, und niemand schert sich um seinen Tod. Das einzige erstrebenswerte Ziel des Menschen in der heutigen Gesellschaft ist es, sich im gemeinschaftlichen Raum zu legitimieren, also sich zu integrieren und innerhalb einer bestimmten Struktur exakt zu funktionieren und damit lebenstauglich zu sein.
Wenn die Gesellschaft aller reaktiven Kräfte vollständig beraubt ist, bleiben zuletzt nur Bürger übrig, deren Augen unaufhörlich blinzeln, wie Nietzsche gesagt hat. „Das Gesetz und die Propheten weissagen bis auf Johannes; und von der Zeit wird das Reich Gottes durchs Evangelium gepredigt, und jedermann dringet mit Gewalt hinein.“ (Ev. Lucä 16.16) Dieser Satz ist eine der radikalsten Behauptungen im Neuen Testament. Sie zeichnet überdeutlich die Konturen des einzigartigen neuen Wissens – jenseits der Zukunft, gegen die Zukunft, jenseits des Gemeinschaftlichen. Sie ist eine der schärfsten jemals manifestierten eschatologischen Forderungen. „Propheten“ und „Gesetze“ existieren für die Zukunft, doch in dieser Behauptung wird die Zeit aufgehoben, und beide Begriffe hängen funktionslos voneinander ab – die Grenze soll unverzüglich überschritten werden, hier und jetzt. In diesem Verweis auf die Erfüllung besagen die Worte „dringet mit Gewalt hinein“, dass man sich mit keinerlei Perspektiven hinsichtlich des Lebens belasten, sondern sich in einem Kraftakt zum letzten Schritt entschließen soll, im Namen des Vaters Schluss mit Zeit und Raum zu machen, jetzt gleich. Diese Worte wurden für alle gesagt, nicht nur für „Profis“, also für Mönche und Priester.
Wer investiert sich heute in diesen Kraftakt?
Heute versteht man das Leben nicht als rituelle Vorstellung, die in der traurigen Periode entwickelt wurde, in der wir uns mit unserer endgültigen Befreiung verspätet haben.
Deshalb ist weit und breit auch keine Anstrengung zu erkennen, diese Verspätung aufzuholen. Die Wissenschaft, alle humanitären Disziplinen, staatlichen Strukturen und auch die Kunst dienen heute doch nur einem - dem gemeinschaftlichen Mainstreambegehren (einer gefährliche Infektionskrankheit): die Existenz zu privatisieren und auf eine „bessere Zukunft“ hin auszurichten.
Hat irgend jemand den Mut, seine Stimme gegen den laut fordernden Mainstream zu erheben? Wie es einst Kierkegaard und Schopenhauer zur Verteidigung des Willens des Individuums getan haben, gegen das Anonyme und einheitlich Gemeinschaftliche der Hegelschen Welle, die süße Träume vom Metasinn generierte, von dem die Zukunft wie auch die Vergangenheit angeblich überquelle.
Wünschen wir uns (und auch unseren Kindern) ein unabsehbares, gottgleiches individuelles Schicksal? Trachten wir danach, uns und unsere Kinder auf die enge Pforte hin auszurichten? Nur schwer, denn alle Helden und öffentlichen Ikonen, an denen sich die Gesellschaft heute orientiert, stammen aus der Sphäre der geschäftigen, lauten gemeinschaftlichen Aktivität zum Zwecke der „Privatisierung des Lebens“. Die Alternative, nämlich die Opferbereitschaft, wird als Provinzialismus wahrgenommen.
„Darum bin ich so oft gestorben“, sagte Antonin Artaud sinngemäß, „weil ich die wahre Unsterblichkeit gefunden habe.“ („Theater der Gewalt“)
Über den Ausdruck „bin ich so oft gestorben“ könnte man endlos diskutieren.
Tatsache ist jedoch, dass der Versuch, nicht weiter eine „bessere Zukunft“ anzustreben und hingebungsvoll dem in den Lauf der Zeit eingebetteten Phänomen des Todes zu folgen, unser Bewusstsein vom Terror der Bedeutungen befreien kann.
Das reine, unverschmutzte Phänomen der zeitgenössischen Kunst (das nur schwer zu finden ist) ruft zu einer individuellen Anstrengung auf, in jedem einzelnen Faktum den finalen Akt zu sehen.
Diese Bewegung ist eine Bewegung gegen die Zukunft, in Richtung auf eine Zukunft, die man „andere Zukunft“ nennen könnte. Darin wäre Zukunft in solcher Quantität enthalten, dass sie nicht mehr in der Gegenwart erscheinen könnte. In diesem letzten Stadium könnte man nicht mehr die Konfigurationen der fundamentalen Paradigmen unserer gewaltigen menschlichen Anstrengungen unterscheiden, die wir einst als Wissenschaft, Religion, Kunst oder Liebe bezeichnet haben. Sie alle werden in der einen unteilbaren, ekstatisch-dynamischen Offensichtlichkeit dieser „anderen Zukunft“ verschwinden.
Wem es gelingt, die Zukunft zu verlieren, wird sie finden, und wer die Zukunft bewahrt, wird sie verlieren.
Aus dem Russischen von Annelore Nitschke
Gia TorTladze, Geboren 1960
1977-200 Mitarbeiter des Archäologischen Forschungszentrums in Georgien. Autor von 14 wissenschaftlichen Aufsätzen und eine Monographie. Promotion in Geschichtswissenschaft
Präsident der Bergsteiger-Gesellschaft
Leiter der georgischen Himalaya-Expedition. Die erste georgische Besteigung des Mount Everest. Achtmal Achttausender Besteigung, zweimal auf dem Mount Everest
Autor von 12 Dokumentarfilmen. Fotoausstellungen, Buchautor
Von 1992 bis 2003 boykotierte er alle Wahlen. Ab 2004 Parlamentsmitglied, ab 2006 wechselte er zu den Oppositions- Parteien. Ab 2008 erneut Parlamentsmitglied
Einer der Führer der Opposition. Fraktionsvorsitzender von “Starkes Georgien”
Vorsitzender des Antikrisenausschusses. 1996 Ausgezeichnet mit der Staatsverdienstmedaille. 1999 Wakhtang Gorgasali Medaille (II. Grad)
2003 Medaille vom Königreich Nepal
Georgien und der russische Imperialismus
Von Dr. Gia Tortladze
« Империя Кремля»
Die zivilisierten Agressoren bereiten Kriege im Geheimen
vor und wie die Diplomaten benötigen sie dafür den
Casus belli, den sie selber finden.
A. Avtoekhanov
Um das Thema zu exponieren, beginne ich mit den Worten von A. Avtirkhanov. Den Publizisten und Erforscher des russischen Imperiums können wir nicht der Unkenntnis der russischen imperialen Politik bezichtigen.
Am 7. August 2008 hat Russland eine offene Aggression gegen Georgien durchgeführt.
Damit hat Russland erneut dem Rest der Welt gezeigt, dass nicht Georgien ein Problem mit separatistischen Regionen hat, sondern dass Russland georgische Territorien besetzten möchte.
Hier möchte ich ein Zitat einfügen, das von einem der Architekten des russischen Imperiums im Januar 1921 stammt:
“Wer Georgien besitzt, der besitzt den Kaukasus, wer den Kaukasus besitzt, der besitzt die Transfermagistralen der größten Zivilisationen Europas und Asiens, wer diese Magistralen besitzt, genau der besitzt die Führung der Prozesse in der modernen Welt”
Josef Stalin, Januar, 1921
Dies wurde einen Monat vor der Annexion Georgien durch Russland geäußert. Man kann sagen, dass Russland den Bau seines Imperiums mit Georgien 1921 begonnen hat.
Dieses Projekt (ich meine die Annexion von Georgien, die als eine Forderung georgischer Arbeiter dargestellt wurde, die Abschaffung des unabhängigen georgischen Staates und seine Anbindung an Russland) leitete der Kreml mit der Gründung der Bolschewistischen Organisationen auf georgischem Territorium ein.
Die Ossetischen Bolschewiken der vier Bezirken der Kartliregion, in Gori, Duscheti, Ratscha und Schorapani bildeten bolschewistische Komitees. Sie nannten sich “Bolschewikenkomitee des Bezirks Süd-Ossetiens”. Bald wurden sie umbenannt in “Süd- ossetischer nationaler Rat”, der 1917 am 15.-17. Dezember in Tskhinwali gegründet wurde. Dessen Ziel war es, für die in Georgien lebende ossetische Bevölkerung eine administrative Einheit zu schaffen.
Heute, wo das Problem mit der Tskhinwaliregion so aktuell ist, wo wir tausende Flüchtlinge aus diesen urgeorgischen Gebieten haben, wollen wir , wenn über den Status dieser Region diskutiert wird, die Quellen und die ursprüngliche Entstehung der Bezeichnung “Südossetien” anschauen.
Nach der Deklarierung des unabhängigen georgischen Staates 1918 haben die Osseten und Abkhasier für die Sowjetmacht gekämpft, die in Russland schon existierte, weil sie annahmen, diese wäre progressiver als die demokratische Republik Georgien.
Am 10. April 1917, in einem Brief an den Vorsitzenden des transkaukasischen Komitees, forderte der neu gegründete “südossetische nationale Rat” eine administrative Einheit für die ossetische Bevölkerung. Man muss anmerken, dass an dieser Bewegung auch georgische Bolschewiken teilnehmen. Deren Verhältnis zu der neu gegründeten georgischen demokratischen Republik (1918-1921) war äußerst aggressiv.
Am 10. Januar 1918 schickte der “südossetische nationale Rat” dem tanskaukasischen Kommissariat ein Projekt zu, in dem beschrieben wurde, in welchen Grenze die neue administrative Einheit existieren sollte. Hier ein Zitat aus diesem Dokument:
«Auf Grund des Wunsches des südossetischen Volkes stellen wir fest, dass die gerechte Verwirklichung der `Zemskoje-Akte´ undenkbar ist , ohne eine Regierung des administrativen Bezirks, der aus Ratscha, Gori und Duscheti bestehen soll, bis zu dessen Besiedlung mit ossetischer Bevölkerung» (Georgisches Zentralarchiv. Beschreubung 1. Akte 113, S. 1-5).
Also, der Ausdruck “Südossetien” ist zwischen dem 15.-17. Dezember 1917 entstanden und ein Jahr später wurde gefordert, dass eine administrative Einheit zu bilden sei, die Ratscham Gori und Duscheti miteinbeziehen sollte.
Es ist wichtig, zu bemerken, dass zu diesem Zeitpunkt der “ südossetische nationale Rat” mit einer administrativen Einheit durchaus zufrieden war und keine weiteren Interessen verfolgt hat. Aber nach und nach änderte sich die Lage.
Zu dieser Zeit war die Position der georgischen demokratischen Republik sehr schwach. Einerseits musste sie die Türkei abwehren, anderseits kämpfte sie gegen General Denikin, der um die Besetzung von Sotschi kämpfte. Deshalb musste die georgische Regierung einige Kompromisse machen, um die Lage zu entschärfen.
Die georgische Regierung hat daher eine eigene Version des Projektes ausgearbeitet, die eine Schaffung des “Djava Bezirkes” für die ossetische Bevölkerung beinhaltete.
Aber am 8. Mai 1920 haben die ossetische Revolutionäre selbst die Sowjetregierung in der Rokiregion ausgerufen. Für die Aufständischen kommt die Hilfe aus dem Norden, aus dem Tergi Olki Bezirk. So nannte man Nordossetien damals.
Eine Zusammenarbeit zwischen den Osseten und dem Kreml bestätigt auch dieses Schreiben: «Genosse Vladi Sanakojev hat uns ein schriftlich verfasstes Memorandum überreicht: Memorandum, persönlich an ZK KPDS, an Genossen Lenin. Bitte bestehen Sie darauf, dass Südossetien ein Teil Sowjetrusslands ist und dass es nichts zu tun hat mit dem menschevistischen Georgien. Deswegen muss man es im Sinne des Arbeiterats von Südossetien sofort durch die rote Armee besetzten. (Den gesamten Text des Memorandums findet man in: V.D. Zkhovrebov. Vladimer sanakojev. Biographische Untersuchungen. Tskhinwali, 1938. Seite 119-129)
Zu diesem Zeitpunkt war zwischen Russland und Georgien bereits ein Friedensabkommen unterschrieben (7. Mai 1920) worden. Nach dieser Vereinbarung erkennt Russland die Unabhängigkeit Georgiens und seine Grenzen an!
Verfolgen wir weiter die Geschehnisse: Erst fordert man die Bildung einer administrativen Einheit, dann erweitert man diese Territorien und am Ende fordert man eine Bindung an Russland.
Es ist interessant, dass im eigentlichen Ossetien, das sich hinter dem Kaukasusgebirge befindet, hinter dem Kasrital, es Russland nicht für notwendig gehalten hat, dort eine ossetische Einheit oder einen staatlichen Organismus zu schaffen.
In diesem Teil war Ossetien ein Teil der “Bergautonomie sowjetsozialistische Republik” zusammen mit anderen Bergvölkern, aber in Georgien, wo die Osseten lediglich Siedler waren, wurde aus vier georgischen Bezirken eine künstliche ossetische Autonomie geschaffen.
Es erscheint absolut unverständlich, warum das ossetische Revolutionäre Komitee und das Parteikomitee eine ossetische sozialistische Republik auf georgischem Teritorium (Gori, Duscheti, Schaorapani, Ratscha) schaffen wollten.
Ein Ausschnitt aus dem Bericht (1921), der an das georgische Volkskommissariat für innere Angelegenheiten gerichtet ist:
“...im Oktober/November 1921, als zu hören war, dass die Zskhinvali Region mit der genannten Stadt zusammen unter südossetische Verwaltung gestellt werden sollte, hat die gesamte georgische Bevölkerung aus der Tskhinvali Region, die der georgischen Regierung gegenüber loyal war, d.h. konkret die Dörfer, Kekhwa, Kvemo Atschabeti, Zemo Atschabeti, Arbo, Dizi, Kordi, Kvemo Nikozi, Avnevi, Dzartsebi, Dagvrisi, Nuli, Zemo Kviti, Kvemo Khviti, Zemo Nikozi, Kelktseuli, Kemerta, Kurta, Tamarascheni, Vanati, und selbst Tskhinvali, also 20 Dörfer, schriftliche Beschlüsse eingereicht, in denen sie gebeten haben, das alles beim alten bleiben soll, also die Verwaltung beim Goribezirk belassen werden sollte. Diese Beschlüsse waren in einem sehr kategorischen Ton verfasst und keiner hatte irgendeinen Zweifel an der Ehrlichkeit dieses Schreibens. Einige Dörfer schrieben sogar, es sei besser sie lebendig zu begraben, als sie unter der ossetischen Verwaltung leben zu lassen.” (Georgisches Zentralarchiv für die neueste Geschichte. (SUIZA) N284. Beschr. 1. Akte 62, Blatt 81)
Im Januar 1922 wurde an das Volkskommissariat der inneren Angelegenheiten ein gemeinsamer Versammlungsbeschluss der in Tskhinwali lebenden Georgier, Armenier und Juden überreicht, in dem sie die Tskhinwaliregion in ihren historischen Grenzen einforderten, sie also als ein Teil Georgiens zu belassen. Solche Schreiben sind zahlreich verfasst worden, wie die weiteren Beispiele aus Nedlata, Khundisubani, Bindara, Tigva, Alabara, Satskhveti, Zemo und Kvemo Okona und von weiteren Vertretern aus der Gemeinschaft der Khurvaleti Dörfer zeigen. Die Bewohner aus Tsinagari Khubuluri und Kitschinaschwili haben ebenfalls eine Beschwerde im Namen der acht Dörfer eingereicht.
Wichtig ist, dass, als der Südossetische Autonome Bezirk künstlich geschaffen wurde, die dortigen georgischen Dörfer mit Gewalt und Zwang einbezogen wurden, das tatsächliche Ossetien, hinter dem Kaukasus Gebirge, welches die ursprüngliche Heimat der Osseten ist, überhaupt keine eigene Autonomie genoss. Der Nordossetische Autonome Bezirk ist erst 1924 innerhalb der Russischen Sowjetischen Föderation geschaffen worden. 1936 hat dieser Bezirk den Status einer Autonomen Republik bekommen.
Diese lange Einführung in die Geschichte war notwendig, da die internationale Gemeinschaft keine Vorstellung über die damalige historische Lage hat. So wird verständlich, wie und weshalb in dieser Zeit mit der Einführung der Bezeichnung “Südossetien” von Anfang an separatistische Ziele verfolgt wurden, die der Auflösung des georgischen Territoriums dienen sollten.
Aber es sollte nicht angenommen werden, dass dies der erste Versuch einer Annexion Georgiens seitens Russland war. Noch verheerender war die beabsichtigte Annexion Georgiens durch Russland 1801. Es ist mir klar, dass es schwierig ist, die gesamte Geschichte in einem kurzem Abriss wiederzugeben, aber es gibt Fragen, die beantwortet werden müssen. Die Antworten auf diese Fragen sind in Abkommen und Akten zu finden, die ständig missachtet wurden.
Hier Russlands politische Techniken, wie ein Land zu erobern ist: 1783 ist ein Abkommen zwischen dem georgischen König der zwei großen georgischen Provinzen Kartli und Kakheti, Erekle II. und Russlands Kaiserin Katherina II. über gegenseitige Hilfeleistungen und Freundschaft unterzeichnet worden. (Das Georgievski Traktat). Paragraph II dieses Abkommens beinhaltet, dass die territoriale Einheit Georgiens geschützt werden soll und nach Paragraph VI verspricht die russische Kaiserin die Unantastbarkeit der georgischen Bagrationi Dynastie (die Königsdynastie Georgiens) und die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten des georgischen Königtums und des Landes.
Viele Rechtswissenschaftler vertreten hierzu den Standpunkt, dass zwischen Georgien und Russland damit ein typisches bilaterales Abkommen unterzeichnet wurde, in dem sich beide Seiten verpflichten, die gegenseitigen Rechte anzuerkennen und nach Paragraph XII verpflichten sie sich dazu, jede Änderung im gegenseitigen Einverständnis durchzuführen.
Am 18. Dezember 1800 hat Zar Paul I. ein Manifest zur Annexion Georgiens unterzeichnet, welches nur einen Monat später, nach dem Tod von Giorgi XII. (dem Sohn von Erekle II.), am 18. Januar 1801 in Petersburg und am 17. Februar 1801 in Tbilisi veröffentlicht wurde.
Danach folgte 1810 eine Annullierung des Königsreichs Imereti und 1864 die Annullierung des abkhasischen Fürstenturms. Man muss dazu anmerken, dass Abkhasien den größten Wiederstand gegen die russische Aggression leistete.
Besonders starken Wiederstand gegen Russland gab es in Tsebela (Kodori Tal). In den Dreißigerjahren des XIX. Jahunderts wurden in diese Region mehrfach Strafaktionen durchgeführt. In Folge mußten die Ureinwohner durch Verfolgungen das Land verlassen . (Siehe V.T. Majevski, «Militär-statistische Beschreibungen der Kutaisi Gubernie.», Tiflis 1896.)
1840, beim Aufstand in Tsabelda, haben die Russen alle dort wohnenden Familien zwangsumgesiedelt und 1864 wurde das abkhasische Fürstentum anulliert. 1876, nach dem Aufstand in Abkhasien, sind alle weiteren Verbliebenen aus Tsabelda in das Osmanische Reich (Türkei) zwangsumgesiedelt worden.
Wenn im Jahr 1850 in dieser Region noch 14 000 Familien lebten, waren es 1867 durch die russischen Interventionen nur noch 27 Familien.
Trotz der russischen imperialistischen Politik in Samurkasano, also, auf der Südlinie von Abkhasien und Djiketi, zählten die Bezirke von Sokhumi und Sotschi nach der Volkszählung 1916: 141 000 Einwohner, davon 71 000 Georgier, 43 000 Abkhasen, 6 000 Armenier und 21 000 andere Nationalitäten.
1804 nach der Eroberung des mengrelische (westgeorgischen) Fürstentums durch das russische Imperium, entwickelte dieses eine neue Idee für die Kolonisierung: “Besiedlung der Schwarzmeerküste durch Kosaken”
Das bezeugt auch die vom russischen Gouverneur Rtischtschev verfasste “ Generalkarte Georgiens”, die an den russischen Zaren gesandt wurde. Dieses Dokument enthält eine ausführliche Textbeschreibung mit Vorschlägen, wie man das Land intensiv kolonisieren soll.
1828-1829 hat der russische Gouverneur Paskewitsch hier 8249 armenische Familien angesiedelt. 1829-1831 hat derselbe Paskewitsch 6 000 armenische und griechische Familien aus der Türkei in Georgien angesiedelt hat (in Akhalzikhe, Akhalkalaki und Tsalkaregionen)
Ab den Dreißigerjahren des XIX. Jahrhunderts wurde der Ansiedlung russischen Militärs in den georgischen Dörfern besondere Aufmerksamkeit gewidmet. (Tetri Tskaro, Gombori, Tsiteltskaro, Manglisi) Es handelte sich um Militärs, die mindestens 15 Jahre im Dienst waren.
1845 sind nach Georgien auch weitere durch die russische orthodoxe Kirche verfolgte Sektenangehörige umgesiedelt worden. Die Anzahl ist mit über 10 000 beziffert worden.
Kommen wir wieder zurück zu Abkhasien. Im Herbst 1855 hat Omar Pascha eine Armee von 36 000 Soldaten nach Abkhasien geschickt. Dieser haben sich die Abkhasen angeschlossen, um gegen Russland zu kämpfen. Die Russische Armee musste sich zurückziehen. Später ist genau dieses Faktum der Grund gewesen, Abkhasen in die Türkei zu deportieren. Daraus entstand der Begriff “Muhajadis”. In Abkhasien selbst hat eine intensive Ansiedlung von Griechen und Armeniern begonnen.
1864 fand mit der Anullierung des Fürstentums Abkhasiens die Okkupation Georgien ihren Abschluss. Ab 1883 wurde diese Region in “Sokhumi Bezirk” umbenannt und unter die Verwaltung der Kutaisi Gubernie gestellt. Wegen des großen Widerstandes der Abkhasen hat Russland 1880 die Abkhasen als “Schuldige” eingestuft und einen Großteil in die Türkei deportiert. Später hat Russland diesen “Schuldigenstatus“ wieder abgeschafft, was durch die Unterschrift Kaiser Alexanders II. 1907 beglaubigt wurde.
Noch etwas später, mit der Kolonisierungspolitik 1908-1915 wurde als Folge der s.g. Stolipin-Reformen aus dem russischen Kernland 66 000 Russen umgesiedelt.
Nach der Okkupation Georgiens, hat Russland das Land in Gubernien unterteilt. (Tiflis und Kutaisi Gubernie, Artaani und Oltisi Bezirke und außerdem, Gagra, Karaias Felder ( Shiraki) und Bambaki, Abozi (Süd Regionen von Kartli) Kars- Alexandropolis.
Der Bolschewismus hat keine Nationalität
Obwohl Abkhasien bitteren Wiederstand gegen die russische Okkupationspolitik geleistet hat, änderte sich die Lage mit der Verbreitung des Bolschewismus. 1917 hat die russische Revolution die Romanov-Dynastie zerschlagen, aber die russischen Interessen im Kaukasus haben sich nicht im geringsten geändert.
Gleich nach der Gründung der Georgischen Demokratische Republik 1918, bilden Abkhasen und Osseten zusammen mit georgischen Bolschewiken Revkoms (Revolutionskomitees), die eine Unabhängigkeit von Russland fordern.
Das ist genau die Zeit, als die Kibanski-Republik unter Denikin einen Anspruch auf ganz Abkhasien verkündete (die Truppen der Weißen sind zu der Zeit in Sotschi und Gagra eingedrungen).
1919, während der Pariser Konferenz, fordert Armenien von Georgien den Südteil Georgiens und einen Zugang zum Schwarzen Meer, den Azerbaidjan- und den Zakatala Bezirk. Die Türkei hat Batumi und Abastumani besetzt. Genau in dieser schweren Zeit wird in Georgien die Schulaveris-Kollaborationsregierung gebildet, die im Kreml aus den georgischen Bolschewiken, Philipe Makharadze, Mamia Orakhelaschwili, Sasha Gegetschkori und Schalva Eliava. zusammengestellt wurde
Trotz des am 7. Mai 1920 abgeschlossenen Friedensvertrages zwischen Russland und Georgien, nach dem Russland Georgien anerkennt, wurde 1921 dieses Abkommen verletzt und die russische 11. Rote Armee Einheit marschiert von Aserbaidjan, die 8. Armee von Sotschi, die 9. von Dariali und die 13. über den Mamisoni Pass nach Georgien ein.
Kommen wir zurück zu den Geschehnissen in der jüngsten Geschichte. In den Achzigerjahren des XX. Jahrhunderts entwickelte sich eine starke gesellschaftliche Bewegung in Georgien. Es hat große Manifestationen und Demonstrationen mit vielen Tausenden Menschen gegeben. Es gab Streiks in den großen Betrieben. Die Gesellschaft forderte nun öffentlich, die Sowjet Union zu verlassen und die Unabhängigkeit wiederherzustellen. Das ist letztendlich mit tragischen Verlusten am 9. April 1989 möglich geworden. Moskau hat dies alles natürlich nicht verschlafen und um so wachsamer war das Innenministerium.
Am 18. März 1988 wurde eine abkhasische separatistische Versammlung vom Kreml gesteuert: Im Dorf Lichni kündigte ein Aufruf die Unabhängigkeit Abkhasiens und den Anschluss an Russland an. Aber über dieses Szenario gelang es nicht, Abkhasien an Russland anzuschließen.
Am 28. Oktober 1990 wurde in einer demokratischen Wahl eine Mehrparteienregierung gewählt, deren verfassungsgebender Rat sich auch auf ein Referendum, das am 31. März 1991 auf dem gesamten georgische Territorium durchgeführt wurde, bezieht. Es nahmen auch in Russland oder anderswo lebende georgische Bürger teil. An diesem Referendum beteiligten sich auch Abkhasen und Osseten, insgesamt 87% der Bevölkerung.
In dem Referendum wurden zwei Fragen gestellt: Möchten wir einen Austritt aus der UDSSR und soll die Unabhängigkeit wiederhergestellt werden. Auf diese beiden Fragen haben über 87% der gesamten Bevölkerung mit “ja” geantwortet. (Deswegen ist auch das s.g. Referendum, das von den Separatisten durchgeführt wurde, im Vergleich dazu, eine Karikatur. Aus Abkhasien und Ossetien wurde die georgische Bevölkerung vertrieben, was von der OSZE zweimal (1996, 1999) mit Resolutionen anerkannt wurdet. Kann rechtlich ein Referendum Bedeutung haben, das in, von Georgiern gereinigten Gebieten durchgeführt wurde?
Am 9. April 1991wurde eine Unabhängigskeitserklärung nach allen rechtlichen Normen verabschiedet.
Die nach diesen Wahlen zustande gekommene Regierung hat eine Änderungen der Verfassung von 1978 unternommen. Z.B. wurden Begriffe wie “Sowjet”, “komunistisch”, etc. herausgenommen. Mit dieser Verfassung und den dort angegebenen Grenzen (also mit Atschara, Abkhasien, s.g. Ossetien) fand die Annerkenung Georgiens durch die UNO statt.
Für die Abkhasische Autonome Republik hat es eine Änderung gegeben. Von den 65 Sitzen im Abkhasischen Parlament bekamen die abkhasischen Deputierten mehr Sitze. (50% +1, also folgende Verteilung: 28 Abkhasische, 26 Georgische und 11 Andere).
Also, ist zu diesem Zeitpunkt eine weitere Eskalierung der separatistischen Bewegung in Abkhasien nicht gelungen. Am 21. Dezember 1991 wurde ein Abkommen zwischen den GUS-Ländern unterzeichnet. Trotz sehr grossem Druck von Aussen und auch im Inland, durch die bewaffnete Opposition gegen Gamsakhurdia, hat Gamsakhurdia die Unterzeichnungs dieses Abkommens verweigert. Am 22 Dezember 1991 (also am zweiten Tag nach der Unterzeichnung des GUS-Abkommens) wurde die rechtmäßige georgische Regierung durch bewaffnete Banden zerschlagen. Diese Banden waren mit russischen Waffen ausgerüstet, die von den in Georgien dislozierten russischen Truppen geliehen waren. Nach dem Putsch hat ein Militärrat das Regierungsgeschäft übernommen.
Im März 1992 kehrte Eduard Schewardnadze aus Moskau zurück und der Militärrat übergibt die Regierung an den Staatsrat.
Die Geschehnisse 1991-92, ich meine hier die Absetzung der demokratisch gewählten Regierung durch Militärputsch, wirkte sich mit sehr schweren Folgen auf Georgiens Innen- und Aussenpolitik aus. 1994 wurde durch Schewardnadze und seine Unterstützer Georgien Mitglied der GUS. Aus dieser Zeiten haben wir die “eingefrorenen” Konflikte in Abkhasien und in Ossetien geerbt, wo seither in s.g. Friedensmission russische Truppen stehen.
Die politischen Grenzen Georgiens sind in der Vergangenheit oft geändert worden. Aber Georgien (Sakartwelo) bezeichnet immer das gleiche Territorium. Das sind die 8 Provinzen, in denen die georgische Nation seit vielen Jahrunderten lebt.
Ich möchte betonen, die Nation und nicht das ethnische Volk, weil die Nation ein breiterer Begriff ist, der eine Vereinigung der Ethnien durch die Sprache, das Land, die Religion und durch die Loyalität zu dem Staat beinhaltet, also dasLand, das man als Heimat bezeichnet.
Diese Provinzen sind: Kartli, Kakheti, Samzkhe-sabatago (Meskheti und Laseti), Imereti, Guria, Samegrelo, Svaneti und Abkhaseti.
In diesen Grenzen ist Georgien anerkannt und bekannt durch verschiedene historische Quellen und Landkarten. Z. B.:
Venezianische Karte aus dem XII. Jahrhundert
K. Vescintes Karte von 1318
K. Luxoris Karte aus dem XIV. Jahrhundert
Anonym von 1351
Gebrüder Piziganis Karte von 1367
Catalinis Karte von 1379
Pasqualinis Karte von 1375
Biancos Karte von 1436
Benincasis Karte von 1480
C. Freduccis Karte von 1497
C. Mailos Karte von 1515
Die Karten von Chrisopus Casteli aus dem XVIII. Jahrhundert, von Lamberti, Chardin und vielen anderen.
Aber wir möchten Ihre Aufmerksamkeit nur auf einige davon richten: Auf die von Wakhuschti Batonischwili in Russland herausgegebene “Karte von Georgien” und die von dem Botschafter des russischen Imperiums, dem General Burnaschevs erstellte Karte Geogiens. Diese Karte ist gleichzeitig mit der Unterzeichnung des „Georgievski Traktats“ erstellt worden. Das war einige Jahre vor der Anektierung Georgiens. Wenn wir die beide Karten vergleichen, sehen wir, dass sie identisch sind. Bedeutend ist auch die von Ivane Djawakhischwili, einem der Gründer der georgischen Geschichtsforchung, erstellte Arbeit, “Die Grenzen Georgiens “ und die Karte, die für die Pariser Konferenz ausgearbeitet wurde. Genau in diesen Grenzen wurde Georgiens Unabhängigkeit annerkannt, was am 7. Mai 1920 Russland ebenfalls tat.
Warscheinlich gibt es wenige Länder, die so viele Dokumente über seine Entstehung und seinen Ursprung vorweisen können. Daher ist es schwer, aus dem Ozean dieser langen und bewegten Geschichte, diese kurz und zusammengefaßt wiederzugeben.
Was den Krieg und die offene Agression Russlands von August 2008 betrifft:
Wie wir wissen, sind seit 1992 im s.g. Südossetien mit GUS-Mandat und seit 1994 in Abkhasien in der Mediatorenrolle als russische Truppen als s.g. „Friedensmission“ stationiert.
Die Georgier und nicht nur Georgier, also die Bürger, die sich loyal zum georgischen Staat verhielten, sind unter dem Schutz der russischen Friedenstuppen von kriminellen Gruppierungen aus ihren Häusern vertrieben worden. Es wurde Privatbesitz widerrechtlich angeeignet und es haben ethnische Säuberungen stattgefunden. (Das bestätigt das Lissaboner Dokument vom 2.-3. Dezember 1996 und das Stambuler Dokument von 18.-19. November 1999). Interessant ist, dass in diesen Regionen nicht nur ethnische Georgier vertrieben wurden, sondern auch andere georgische Staatbürger, die sich als georgische Staatsbürger bekannt haben. z. B. waren 1993 von den 240000 Flüchtlingen aus Abkhasien auch 30 000 Russen, 25 000 Abkhasen u.s.w.
Ich werde hier nicht die Fakten zu den Verletzungen der Grenzen Georgiens sowie zu den diversen Terrorakten auflisten, die von der russischen Seite ausgingen. Diese Fakten sind bekannt, owohl die russische Seite das bestreitet. Ich werde hier nicht über die offene Agression Russlands reden, die die ganze Welt gesehen hat.
Ich möchte nur einige Fakten hervorheben, die keiner weiteren Bestätigungen mehr bedürfen. Sie sind, für sich genommen, Beweis genug und gehören gleichzeitig zur Vorgeschichte des Krieges. Beispielsweise stellte Russland als angeblicher Mediator in dem Konflikt mit den Abkhasen und Osseten am 22. Juli 2004 einen Initiativantrag beim russische Verfassungsgericht. (A. Kokoschin, Dumaabgeordneter, Ratsvorsitzender für GUSangelegenheiten)
Darin wird gefordert, “ Südossetien als neues Mitglied in die Russische Föderation aufzunehmen”.
Am 9. Dezember 2004 hat eine Gruppe der russischen Abgeordneten, die Mitglieder der Fraktion “Rodina”, D. Rogosin, N. Narotschnizkaja und A. Savelijeva, ein Projekt für die Änderungen „der Regeln für die Aufnahme neue Mitglieder in die Russische Föderation” (diese Änderungen beinhalten die Aufnahme der ehemaligen sowjetischen Autonomen Gebiete, als einzelne Mitglieder, mit vereinfachtem Verfahren) vorbereitet. Dieser Gesetzentwurf beschrieb eine konstitutionelle Änderung, um Abkhasien, Süd Ossetien und Adjara in die Föderation aufzunehmen. Hier ist nicht zu vergessen, dass Russland mit einem Friedensmandat genau in diesen Regionen steht, dessen Einbindung es in seinen Gesetzgebungsorganen diskutiert.
Am 13. Juni 2008 debatierte der russische Gesetzgeber über Abkhasien und Süd-Ossetien (in der Nordkaukasischen Kommission) und hier sieht die Forderung folgendermaßen aus: “Vereinigung von Nord und Süd-Ossetien”!
Die Beispiele der jüngsten Geschichte, wie in der Zeit der UDSSR, zeigen ein Sicherheitskonzept, basierend auf der Erweiterung der Grenzen, damit Pufferzonen geschaffen werden. In Wirklichkeit geht es um die Besetzung fremder Territorien.
Wenn wir an den bekannten Satz Putins erinneren, dass „der Zerfall der Sowjet Union [...] die grösste geopolitische Katastrophe” ist und auch an das Staatsdokument der russischen Duma (9. Dezember 2004) erinneren, wonach “Russland [...] der rechtmäsige Erbe der UDSSR [ist] und daher [...] das Recht [hat], durch ein vereinfachtes Verfahren [...]die Einbindung der autonomen Gebiete, der ehemaligen Republiken” zu betreiben, werden damit Russlands Absicht und die Wege zur Verwirklichung klar.
Zum Einflussbereich Russlands, ausser den Sowjetrepubliken, gehörten mehrere asiatische und europäische Länder. Das Ziel Russlands ist heute viel mehr als nur Georgien.
Wenn die internationale Weltgemeinschaft die Ambitionen und dem Zynismus, den Russland der zivilisierten Welt zeigt, nicht zu Kenntnis nimmt, ist leicht vorstellbar, dass die russische Armee morgen auch in andere Territorien eindringen wird. Dann kann wieder darüber diskutiert werden, wer als erster geschossen hat, oder ob man die Eskalation hätte vermeiden können.
Ich denke, es war möglich, das Mandat der russischen “Friedensmission” mit seinen nicht angemessenen Gesetzen und politischen Schritte zu bewerten, in Georgien und im Ausland.
“…Das georgische Territorium ist klassisch vollendet, in historischer, geographischer, ökonomischer und etnographischer Hinsicht.
Die Grenzen Georgiens stehen durch seine mindestens 20 Jahrhunderte umfassende Geschichte fest und bilden einen historischen Organismus, zusammengehalten durch viele Jahrhunderte staatlicher und kultureller Verbundenheit.
Georgien ist gleichzeitig eine physikalisch-geographische Provinz, ein Land mit festen natürlichen Grenzen. Die Geschichte folgte hier der Logik der Geographie, die Geschichte hat eine genetische Verbindung mit Georgiens ökonomischer und terrotorialer Einheit.“ (Pavle Ingorokva, Über die Grenzen Georgiens. Konstantinopol, 1918)
Deshalb kann kein Teil Georgiens ökonomisch ohne die ganze Einheit funktionieren. Zum Schluss möchte ich dieses Schreiben mit dem Worten von Marquis de Custine beenden, der 1837 im seinem Werk über Russland geschrieben hat:
“... dass Russland im Besitz von einem ungeheuren, gestohlenen, fremden Besitz ist, den es beim Jüngsten Gericht zurückzugeben hat.“
Ich würde mir wünschen, dass die russische politische Elite die Verantwortung, die sie als ein Mitglied der internationalen Gemeinschaft trägt, wahrnimmt und von der Haltung des bösen Kindes ablässt, das an fremden Dingen Gefallen findet, mit den Füssen trampelt und sie nicht hergeben will. Jeder Staat ist verpflichtet, die territorialen Integrität der anderen zu respektieren. Die russischen Militäreinheiten sollten in kürzester Zeit Georgien, inklusive der Konfliktregionen, verlassen. Eine internationale Polizeieinheit sollte zunächst für die Sicherheit sorgen, damit die Flüchtlinge zurückkehren können. Nur dann kann über den Status dieser Regionen verhandelt werden.
Literatur Nachweis:
Ivane Djawakhischwili. Beziehungen zwischen Russland und Georgien im XVIII J. H., Tbilisi 1919
Ivane Djawakhischwili. Grenzen von Georgien. Tbilisi 1919
Pavle Ingorokva. Über die Staatsgrenzen von Georgien.
Konstantinopol, 1919
Ivane Djawakhischwili, P. Surguladze. Historische Raritäten.
Tbilisi 1989
S. Avalov. Unabhängigkeit Georgiens in der Internationalen Politik von 1918-1921. Paris 1924
Levan Toidze. Wie ist der Süd Ossetische autonome Bezirk entstanden. 1991
Luigi Magarotto. Anexion Georgiens durch Russland 1783-1801. Tbilisi, 2008
Lewan Pruidze. Einiges über die teritoriale und administrative Ordnung Georgiens. Georgische Diplomatie. Tbilisi 2004
Ivane Djawakhischwili. Politische und soziale Bewegungen Georgiens im XIX Jhrh. St.Petersburg 1906
Ivane Djawakhischwili. Geschichte Georgiens. Tbilisi 1968
Illustrierte Enzyklopedie. St.Petersburg, 1907, S. 2826. Sotschi Bezirk
Festigung der Russischen Macht in dem Kaukasus, Tiflis, 1904
S.D. Burnaschev. Bild Georgiens-Beschreibung des politischen Zustandes der Königreiche von Kartli und Georgien. Tiflis. 1896
S.N. Burnaschev. Neue Materialien zu dem Leben von C.D. Burnaschev, der 1783-1787 in Georgien war. Mit eine Karte. 1901
P.G. Butkov. Materialien für die neue Geschichteim des Kaukasus zwischen 1722 -1803. 1869.
Wakhuschti Bagrationi. Atlas von Georgien XVIII Jhrh.
Sammlung der Materialien zur Beschreibung der Tbilisi Verwaltung Band 1. 1871
Kaukasischer Kalender von 1846. Verlag Kenzlei der kaukasischen Verwalter. St- Petersbug, 1846
Prof. Dr. Julon Gagoschidze, Geboren 1935. Seit 1959 bis heute arbeitet er in dem georgischen National Museum. Promotion über: das Königreich Iberia V bis I Jhrh v. Ch.
Autor von 300 wissenschaftlichen Aufsätzen. 1991 Bürgermeister von Mzkheta
2004/05 Mitglied des Stadtrats von Tbilisi. Seit Januar 2008 Staatsminister für die Diaspora. 2007 Ausgezeichnet mit der Staatsverdienstmedaille
Einige Erläuterungen zu Süd Ossetien
Von Prof. Dr. Julon Gagoschidze
Das gesamte Territorium des ehemaligen Autonomiegebiets Südossetien gehört geographisch und historisch zu Schida Kartli (dt. Innerkartli), dem Herz Georgiens, der zentralen Region, welche dem Staat Georgien den Namen gegeben hat. Dieses Territorium und die anderen Teile von Schida Kartli sind schon seit der Steinzeit ein Gebiet, in dem gleichartige archäologische Kulturen zu Hause waren. Dies deutet darauf hin, dass hier seit jeher ein und dieselbe ethnische Gruppe beheimatet war.
Vor dem 9. - 7. Jh. v. Chr. war Schida Kartli ein Teil des sogenannten Kolchischen Kulturareals, welches seinerzeit gesamt Westgeorgien, Abchasien und die südöstlichen Provinzen der heutigen Türkei (Tschorochi-Tal, Mtkwari-Flußlauf und Lasistan) umfaßte. Die gleiche Kultur bzw. deren Bergversion war auf dem Territorium des heutigen Nordossetiens, in Koban, ebenso verbreitet, daher nannte man sie Koban-Kultur. Manche Forscher nannten die gesamte Kolchische Kultur sogar Koban-Kolchis-Kultur. Die Verbreitung der gleichen Kultur in Schida Kartli und in Westgeorgien ist ein Beweis dafür, daß es hier um eine Ethnie geht. Es geht hier um die georgische Ethnie, was unmißverständlich durch zeitgleiche assyrische, urartäische und griechische schriftliche Quellen belegt ist. Diese ethnische Einheit von Schida Kartli und Westgeorgien dauert an bis zum 6. - 4. Jh. v. Chr. Zu dieser Zeit existiert hier der älteste georgische Staat, in griechischen Quellen bezeichnet man ihn als Kolchis (Herodot).
Am Ende des 4. Jh. v. Chr. entstand das Königreich Kartli. In griechischen und lateinischen (römischen) schriftlichen Quellen bezeichnet man es als Iberien oder Kaukasisch Iberien ( So steht es bei Strabo, Tacitus, Flavius Josephus, Casius Dio und anderen). Schida Kartli wird zu einer Zentralregion des neugeschaffenen Königreichs.
Die Osseten sind die einzige indoeuropäische (nordiranische) Ethnie, die im Zentralkaukasus lebt. Umgeben sind sie von Ethnien (Inguschen, Kabardiner, Georgier) die zur ibero-kaukasischen Sprachfamilie gehören.
Die Osseten bezeichnen sich als Nachfahrer der Alanen, die in schriftlichen Quellen zum ersten Mal im 1. Jh. n. Chr. auftauchen. Die Alanen lebten damals an den Nordhängen des Kaukasus, überwiegend im westlichen Teil, wo sie im frühen Mittelalter ein Staat gründeten. In georgischen Quellen bezeichnet man diesen Staat mit dem Namen „Owseti“ ( Georgische Quellen kennen die Bezeichnung Alanen nicht, die russische Bezeichnung für die Osseten kommt aus dem georgischen „ Osseti“). Die Verbindungswege von Georgien nach Ossetien liefen durch das Tal des Flusses Terek ( georgisch Tergi), daher nannte man den Ausgang durch das Dariali-Tal das “Tor der Osseten“, so die georgischen Quellen. Die Bezeichnung Dariali ist persischen Ursprungs: Dari-alan heißt übersetzt “Tor der Alanen“.
Georgien hatte seit uralten Zeiten enge politische und ökonomische Beziehungen zu den in den Steppen des Nordkaukasus lebenden iranischsprachigen Nomaden (Viehzüchter), den Skythen, Sawromaten und Sarmaten. Zu den Alan-Osseten, die Nachfahren der Sarmaten sind, unterhielten die Georgier eine besonders enge Beziehung.
Die Verbindungswege für Handel und ökonomische Beziehungen zwischen den Ländern des Nahen Ostens und den Owset-Alania lief durch Georgien, und zwar durch das Dariali-Tal. Die Alanen waren oft Söldner im Dienste verschiedener Staaten Vorderasiens, gleichzeitig unternahmen sie gegen diese Länder Raubzüge, erreichten dabei sogar Ägypten. All diese Raubzüge und Truppenbewegungen Richtung Vorderasien liefen durch das Dariali-Tal, durch georgisch kontrolliertes Gebiet. Es ist eine bemerkenswerte Tatsache, daß die Alanen, als sie im 1. - 3. Jh. n. Chr. den Nahen Osten ( Phartien, Armenien, Kappadokien, Palästina, Ägypten) terrorisierten, nie ein Versuch unternahmen, Georgien anzugreifen. Das Königreich Kartli kontrollierte zur damaligen Zeit alle kaukasischen Gebirgspässe und war Verbündeter der Alanen, schon zu Zeiten, als diese noch Viehzüchter waren, und auch später, nach deren Staatsgründung.
Eines der zahlreichen Beispiele für die engen Verbindungen ist in georgischen Quellen niedergelegt. Der Prinzgemahl der Königin Tamar, Dawid Soslan, war ossetischer Königssohn. Zwischen beiden Völkern bestand eine jahrhundertalte Nachbarschaft.
Im 13. Jahrhundert, nachdem die Mongolen das ossetische Königreich im Nordkaukasus zerschlagen hatten, drangen vertriebene ossetische Kämpfer über die Darubandi-Straße vor, besetzten die Stadt Gori, und 60 Jahre lang terrorisierten sie ganze Regionen von Innerkartli. Den Raubzügen setzte der georgische König Giorgi V. (Giorgi der Glänzende) ein Ende, indem er die Angreifer vollständig vernichtete.
Die restlichen Osseten, die dem Mongolenjoch heil entkommen waren, flüchteten in die Bergregionen des Kaukasus, so siedelten sie im 13. Jh. im Gebiet des heutigen Nordossetiens. In der Mitte des 18. Jh. standen die Osseten, die in die enge Täler des Zentralkaukasus geflüchtet waren, unter Kabardinischer Feudalherrschaft. Im Jahre 1774 wurden die ossetische Stämme des Nordkaukasus (Alagiri, Kurtati, Tagauri) samt Kabardinien an Rußland angeschlossen. Diese Prozesse endeten im Jahre 1922, als Rußland Teile Georgiens, die historische Region Magran-Dwaleti-Ardoni-Qwabuli (dt. Talkessel), die schon immer ein Teil Georgiens war ( Anfang des 17. Jh. war der berühmte georgische Feldherr Giorgi Saakadse Hauptverwalter der Dwaleti-Region), einfach herausgeschnitten und einverleibt hat.
In der zweiten Hälfte des 18. Jh. begann und in den 20-Jahren des 19.Jh. dauerte mit russischer Hilfe eine massive Ansiedlung der Osseten in die fruchtbaren Ebenen von Wladikawkaz (Dzaugi), dort wo früher Inguschen zu Hause waren. Im Jahre 1944, nach der Deportation der Inguschen, kamen Teile von deren Territorien, das rechte Ufer des Flusses Terek, in den Einflußbereich der Osseten. Auch danach, im Jahre 1956, nach der Rückkehr der Inguschen, wurde diesen das Recht auf ihre historische Heimat verwehrt.
Im 17. Jh. begann der Einzug der Osseten in Kartli. Sie siedelten in den bergigen Regionen als Flüchtlinge, in den Territorien der Fürstentürmer Aragwi, Ksani, Ratscha, Samatschablo und Sazeretlo. So betrug gegen Ende des 18. Jh. die Zahl der Osseten in ganz Georgien um die 5.000 Familien.
So entstanden in alten georgischen Gebieten ossetische Siedlungen, in georgischen Quellen bekannt als „Schida Ossebi“ (dt. Inner-Osseten) bzw. Osseten von Aragwi, von Samatschablo, von Liachwi. Um 1800 lebten in Georgien 29.300 Osseten, 1832 waren es 32.300. Nach der Volkszählung von 1886 lebten in ganz Georgien 71.000 Osseten, im Jahre 1897- 81.500. Ab dem 20 Jh. stieg die Zahl der ossetischen Bevölkerung kontinuierlich an.
Und dies auf Kosten der Georgier, da die aus dem Nordkaukasus stammenden Osseten in den Jahren 1922-23 mit Unterstüzung der Sowjetmacht im Zuge von ethnischen Säuberungen an der georgischen Bevölkerung entvölkerte georgische Dörfer des Liachvi- und Frone-Tals und die Stadt Zchinwali einnahmen und dort ansiedelten. Laut der Volkszählung von 1926 lebten in Georgien 113.298 Osseten, 1939 betrug die Zahl 148.680, im Jahre 1959 141.200, 1979 160.500 und 1989 dann 164.100, davon lebten im „Autonomen Gebiet Südossetien“ 60.000 Osseten.
Für Georgier war die Bezeichnung “Südossetien“ schon immer inakzeptabel, denn darin steckte die Idee des Zusammenschlusses mit den anderen in Nordossetien, welches der Russischen Föderation angehört.
Diese Bezeichnung ist auch sonst falsch, denn in dem ehemaligen Autonomiegebiet Südossetien lebten insgesamt nur 60.000 Osseten. Außerhalb des Gebiets, in den Bezirken von Bordshomi, Chaschuri, Kareli, Gori, Kaspi, Mzcheta, Duscheti, Kasbegi, Achmeta und in Tbilisi wiederum viel mehr, ca.100.000.
Im Jahre 1801, nach dem Anschluß des Königreichs Kartli-Kachetien an das Russische Reich, wurden binnen kürzester Zeit die von den Osseten dicht besiedelte Gebiete in Zentralgeorgien (Groß- und Klein-Liachwi, Tergi, Ksani und Dshedshori-Flußtäler) mit dem Namen „Ossetien“ getauft, in den 30-Jahren des 19.Jh. hat man in das historisch-geographische Wörterbuch die bisher völlig unbekannten Toponyme „Nordossetien“ und „Südossetien“ eingetragen.
Der Gebrauch der Bezeichnung „Süd-Ossetien“ hatte im 19. Jh. einen kulturell-geographischen Aspekt. Nachdem Rußland die Georgische Demokratische Republik gewaltsam annektiert hat, bekam das Gebiet am 20. April 1922 einen administrativen Status. Zu diesem Gebiet kamen auch mit ethnischen Georgiern dicht besiedelte Territorien dazu. Allen voran die Stadt Zchinwali, wo es zur damaligen Zeit drei 3 ossetische Bewohner lebten. Im Beschluß über die Bildung des Autonomiegebiets steht aber ausdrücklich, daß dies zur Selbstbestimmung der Osseten geschehe.
In den Jahren 1918-1921 war das sogennante Südossetien ein Bestandteil der Demokratischen Republik Georgien. Die nördlich des Kaukasus-Hauptkamms von Osseten besiedelten Gebiete benannte man Sowjetrepublik Tergi.
In der kurzer Zeit des Bestehens der Demokratischen Republik Georgien (1918-1921) kam es zu einigen Aufständen der Südosseten gegen den georgischen Staat, die von Sowjetrußland angestiftet waren und unter dem Deckmantel bolschewistischer Parolen geführt wurden. In der Regel waren diese Aufstände von außen inspiriert und endeten in einer völligen Katastrophe. Das Ziel war der Austritt des sogenannten „Südossetien“ aus Georgien und der Anschluß an Rußland.
Der Plan einer Vereinigung „beider Ossetien“ im Einflußbereich Rußlands hat nicht funktioniert. Nach dem Einmarsch der berüchtigten 11. Armee in Georgien und der Sowjetisierung des Landes, haben die Bolschewiken „das Verdienst“ der ossetischen Separatisten entsprechend honoriert, indem man ihnen aus lauter Dankbarkeit ein großzügiges Geschenk gemacht hat, in Form eines künstlich geschaffenen Autonomiegebildes im Rahmen der Georgischen Sowjetrepublik, und mit dem Administrativen Sitz in Zchinwali (20 April 1922).
Am 7. Juli 1924 entstand das „Nordossetisch Autonomiegebiet“ im Bereich der Russischen Föderation mit Sitz in Wladikawkaz, welches am 5. Dezember 1936 in „Nordossetische Autonome Sowjetrepublik“ umfirmiert wurde ( Hauptstadt Ordshonikidse).
Das Südossetische Autonomiegebiet existierte im Rahmen der Georgischen Sowjetrepublik vom 22. April 1922 bis zum 11.Dezember 1990.
Das Gebiet erstreckte sich an den Südhängen des Zentralkaukasus. Die nördliche Grenze bildete die Wasserscheide des Kaukasus-Hauptkamms, die östliche der Alewi-Gebirgszug, die westliche Grenze durchtrennte die Gebirgszüge von Lichi, Ratscha und Kedela, weiter lief die Grenze entlang der Oberläufe der Flüsse Dsirula, Qvirila, Dshedshori und Gharula. Die westliche Grenze endete am Mamisoni-Pass. Die südliche Grenze verlief an der nördlichen Peripherie der Ebenen von Innerkartli.
Nördlich grenzte Südossetien an die Nordossetische Autonome Republik, östlich befanden sich die Bezirke von Duscheti, Kasbegi, südlich davon Kaspi, Gori, Kareli und Chaschuri, westlich dann die Bezirke Satschchere und Oni.
Die Gesamtfläche betrug 3.800 Quadratkilometer (5,4% des georgischen Territoriums), die Einwohnerzahl betrug im Jahre 1981 97.400. Das administrative Zentrum war Zchinwali.
In Südossetien befanden sich 4 administrative Bezirke (Znauri, Leningori, Zchinwali und Dshawa), die Stadt Zchinwali und 4 Ortschaften (Znauri, Kwaisa, Leningori, Dshava).
Gemäß der Volkszählung von 1979 betrug die Bevölkerungszahl Südossetiens 97.400. Den Hauptanteil davon stellten Osseten, die Zahl der Georgier betrug 28.000.(28,8 %), außerdem 2000 Russen (2,1 %); 1000 Armenier (1,1 %), andere Volksgruppen 2000 (2,1 %). Der Anteil der südossetischen Bevölkerung in Georgien war 1,9 %. In der Sowjetzeit sah das Bevölkerungswachstum folgendermaßen aus: 1926 lebten in diesem Gebiet insgesamt 87.700 Personen, 1939 waren es 106.100, 1959: 96.800, 1979: 99.4000 und 1979 dann 97.400.
Der Konflikt
Nachdem Georgien seine Unabhängigkeit verkündet hatte, setzte die Sowjetunion eine Kampagne von Provokationen und eine Einschüchterungspolitik gegenüber Georgien in Gang. Als Zuspitzung stellte sich die Drohung von Michail Gorbatschov dar, die er an den georgischen Präsidenten Zwiad Gamsachurdia richten ließ. Diese klang folgendermaßen: „Georgien kann aus der Sowjetunion austreten, aber ohne Südossetien und Abchasien.“
Die damalige georgische Regierung hatte gar nicht vor, eine radikale Maßnahme wie die Auflösung der Autonomie Südossetiens zu ergreifen. Nur zum Zweck der Einhaltung der territorialen Integrität Georgiens, unter Beachtung aller obligatorischen rechtlichen Normen, ließ der Staat das „Autonome Gebiet Südossetien“ auflösen.
Zugleich wurden von der obersten Legislative Georgiens mehrere Versuche zur friedlichen Beilegung der seitens der Sowjetunion inspirierten Konflikte im Autonomen Gebiet Südossetien und der Autonomen Sowjetrepublik Abchasien unternommen.
Am 20 September 1990 faßte der Rat der Volksdeputierten des Südosseti-
schen Autonomen Gebiets (ermutigt vom Slogan Sacharows: „Georgien ist ein kleines Imperium.“) den Beschluß über die Umwandlung des Gebiets in die „Autonome Sowjetische Republik Sudossetien“. Diese Entscheidung wurde vom Präsidium des Obersten Rats der Georgischen Republik am 21. September 1990 zurückgewiesen.
Ungeachtet dessen bekräftigte die südossetische Seite in der 15. Ratssitzung des Autonomiegebiets ihre Entscheidung erneut, ernannte ein Exekutivkomitee der „Südossetischen Autonomen Republik“ und faßte zugleich den provisorischen Beschluß über das Abhalten von Wahlen zum Örtlichen und Obersten Rat. Als Wahltermin wurde der 2. Dezember 1990 festgelegt.
Als Antwort darauf beschloß der Oberste Rat der Republik Georgien am 22. November 1990 eine Resolution in der es heißt:
„ Hiermit wird ein Beschluß des Rats der Volksdeputierten Südossetiens über die Umwandlung des Autonomiegebiets in die „Südossetische demokratische Autonome Republik“ aufgehoben, somit auch alle darauffolgenden Beschlüsse, unter anderem über das Abhalten von Wahlen am 2. Dezember 1990, denn dies verstößt gegen die Artikel der bestehenden Verfassung der Republik Georgien und gegen die Artikeln der Verfassung der UDSSR und gegen den Beschluß vom 21. September 1990 des Präsidiums des Obersten Rats der Republik Georgien.
Der Oberste Rat Georgiens wendet sich an alle Bürger des Autonomiegebiets, allen voran an die Bürger ossetischer Nationalität. Wir appellieren an Sie, Ihre Vernunft und politische Zuversicht zu bewahren, die Gefahr des Separatismus nicht zu unterschätzen, denn das könnte die allgemeine Destabilisierung der Lage mit vielen schwerwiegenden und unvorhersehbaren Folgen mit sich bringen.
Der Oberste Rat Georgiens versichert, daß er sich weiter für die Einhaltung der territorialen Einheit und Souveränität Georgiens einsetzen wird. Gleichzeitig wird mit dieser Resolution die Einhaltung und Durchsetzung der Grundrechte aller in Georgien lebenden Minderheiten im Sinne der weltweit geltenden Rechtsprinzipien bekräftigt.“
Ungeachtet dessen setzten die von Moskau angestachelten ossetischen Separatisten ihre verfassungswidrigen Handlungen fort. Die georgische Regierung sah sich gezwungen, zur Erhaltung der territorialen Integrität Georgiens Schritte einzuleiten, indem sie ein neues Gesetz über die Auflösung des “Südossetischen Autonomiegebiets“ verabschiedete. Gleichzeitig wurde eine Entscheidung getroffen über die „Einführung des Ausnahmezustands in den Regionen Zchinwali und Dshawa“ (11. Dezember 1990).
Auf die von Moskau inspirierten Konflikte folgte ein Appell von Zwiad Gamsachurdia an das ossetische Volk:
„ Die Georgier und die Osseten, die seit jeher auf dieser Erde friedlich und freundschaftlich zusammenleben, bringen sich jetzt gegenseitig um, sie kämpfen gegeneinander, angestachelt von fremden Mächten. Da dieser brudermordernde Krieg den imperialen Ambitionen gewisser Mächte dient, wäre es eine Schande, wenn wir mit gemeinsamen Kräften diesem Morden nicht ein Ende setzen und für Frieden zwischen unseren Völker sorgen würden. Erste wichtige Voraussetzung dafür wäre, daß alle illegalen bewaffneten Gruppierungen ihre Ausrüstung an das Innenministerium abgeben. Eine vollständige Entwaffnung, so wie sie in ganz Georgien stattfindet. Zchinwali darf keinesfalls eine Ausnahme sein. Alle, die ihre Waffen freiwillig niederlegen und sich dem normalen Alltag zuwenden, werden von uns nicht verfolgt. Das garantieren wir. Die Osseten bekommen alle Rechte der kulturellen Autonomie, die sie bereits während des Bestehens des Autonomiegebiets hatten, die Gesetzgebung der georgischen Republik wird für die Durchsetzung bestehender Rechte sorgen, und sie bekommen noch mehr Rechte ... Georgier und Osseten werden gleiche Rechte haben. Wir garantieren die Unantastbarkeit aller Bürger, friedliche Lebensbedingungen mit Arbeitsmöglichkeiten auf dem ganzen Territorium der Schida Kartli (dt. Innerkartli) ... Ich appelliere an ihre Vernunft. Es ist noch nicht zu spät. Unser Konflikt, dieses Blutvergießen, nutzt nur unserem Feind.“ (4 März 1991)
Um die Konfliktbeilegung in Zchinwali voranzutreiben, haben sich am 23. März 1991 der Vorsitzende des Obersten Rates der Russischen Föderation Boris Jelzin und der Vorsitzende des Obersten Rates der Republik Georgien Zwiad Gamsachurdia in Georgien in der Ortschaft Kasbegi getroffen. Es wurden einige wichtige Maßnahmen zur Konfliktbeilegung vereinbart, allen voran ein Beschluß über ein neues Abkommen zwischen Rußland und Georgien. Das Abkommen sollte in Tbilissi unterzeichnet werden. Es wurde ein Gesprächsprotokoll unterzeichnet in dem stand:
Es wird vereinbart, einen Vertragsentwurf über die zwischenstattlichen Beziehungen der Russischen Föderation und Georgiens im Laufe des Monats April vorzubereiten. Zu diesem Zweck werden Arbeitsgruppen gebildet. Zur Stabilisierung der Lage in dem ehemals Autonomen Gebiet Südossetien haben die beiden Seiten wie folgt vereinbart:
Die Innenministerien der Russischen Föderation und der Republik Georgien bilden gemeinsam innerhalb von 10 Tagen eine Kontrollkommission zur Klärung der Lage in der Region. Zum 20. April wird die abschließende Analyse zur Lage der Konfliktregion erwartet.
Die Innenministerien der Russischen Föderation und der Republik Georgien müssen bis zum 10. April eine gemischte Polizeieinheit zur Entwaffnung aller illegalen Militäreinheiten auf dem Territorium des ehemals Autonomen Gebiets Südossetiens aufstellen. Bis zur endgültigen Stabilisierung der Lage übernimmt die gemischte Polizeieinheit die Kontrolle über die Ordnung in der Region.
Das Verteidigungsministerium der SSSR wird aufgefordert, in dem ehemaligen Südossetischen Autonomen Gebiets stationierte Einheiten der Sowjetischen Armee abzuziehen.
Die Ministerrate der Russischen Föderation, der Republik Georgien und der Nordossetischen Autonomen Sowjetrepublik müssen alle Maßnahmen treffen, um die Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Wohngebiete zu ermöglichen und lokale Verwaltungsorgane wiederherzustellen.
Die Regierungen der Republik Georgien, der Russischen Föderation und der Nordossetischen Sowjetrepublik werden angewiesen, eine Kommission zu Schätzung der Kriegsschäden für die Flüchtlinge zu bilden. Weiter müssen finanzielle Mittel zur Behebung der Schäden aufgebracht werden.
Als letzte Aufgabe für Kommissionen und Polizeieinheiten gilt die endgültige Herstellung von Frieden und Ruhe in der Region.
Es wird eine Arbeitsgruppe gebildet, die die Kontrollaufsicht zur Umsetzung des Protokolls übernimmt.
Der Vorsitzende des Obersten Rates der Republik Georgien
Zwiad Gamsachurdia
Der Vorsitzende des Obersten Rates der Russischen Föderation
Boris Jelzin
Kasbegi, 23. März 1991
Wie man dem Gesprächsprotokoll entnehmen kann, betrachtet Rußland das südossetische Autonomiegebiet als aufgelößt. In der Vereinbarung steht überall „ehemaliges Autonomiegebiet Südossetien“. Viel mehr noch, in den Verhandlungen existiert es nicht als unabhängiges Subjekt.
Genau das kann man als einen großer Erfolg der nationalen Regierung Georgiens bewerten.
Politische Einschätzung des Konflikts in der Zchinwali Region
Im Jahre 2006 stellte Saakaschwili einen Kontrollbericht dem georgischen Parlament vor. Es fand zum ersten Mal nach der Niederschlagung der Regierung Gamsachurdias eine objektive Bewertung der Ereignisse in Abchasien und in der Zchinwali Region vom 1991-1992 statt.
Im Bericht Saakaschwilis ist nachzulesen:
“ Georgien hat keine ethnische Konflikte gegenüber Osseten und Abchasen. Es dauert ein territorialer Konflikt zur Verteilung postimperialer Territorien an.“
Diese Erklärung Saakaschwilis stimmt mit der Einschätzung der Ereignisse durch die vertriebene nationale georgische Regierung überein.
Diese Erklärung Saakaschwilis als offizielle Staatserklärung entlarvt ein gängiges Desinformationsmuster so mancher georgischer und ausländischer proimperialer antigeorgisch gesinnter “Politologen“ hinsichtlich der Einschätzung der Konfliktlage in Abchasien und Südossetien, wonach es ethnische Konflikte seien, deren Ursache „georgischer Nationalismus“, gar „Faschismus“ sei. Das gilt insbesondere für den proimperialen „Dissidenten“ Sacharow, der die theoretische Grundlage für die Annexion beider Region seitens Rußland lieferte, indem er den Begriff „Georgien – ein kleines Imperium“ erfand und in die Welt setzte.
Offizielle Erklärungen
In der Erklärung des georgischen Präsidenten steht „ Die Konflikte in Abchasien und Südossetien sind keine ethno-nationalen Konflikte. Der Gebrauch der Bezeichnungen „Georgisch-Abchasischer Konflikt“ oder „Georgisch-Ossetischer Konflikt gehört verboten. Es sind ausschließlich territoriale Konflikte, die im Zuge der Verteilung der Territorien des postimperialen Raums entstanden sind...“
und weiter
„ Uns ist es allzugut bewußt, daß man unsere Territorien annektieren möchte. Es gibt keine ethnischen Auseinandersetzungen. „Georgisch-Abchasischer Konflikt“ und “Georgisch-Ossetischer Konflikt“ sind völlig unsachgemäße, inkompetente Bezeichnungen, erfunden von manchen uns gegenüber feindlich gesinnten Zeitgenossen. Dies sind territoriale Konflikte. In diesem Streit geht es darum, wie der postimperiale Raum neu definiert werden kann, es geht darum, wie die Grenzen des ehemaligen Imperiums neu gezeichnet werden können. Wo enden sie wirklich...“
Das georgisches Parlament und das „Ehemalige Autonomiegebiet Südossetien“
Die ganzen Unklarheiten bezüglich der Bezeichnung „Südossetisches Gebiet“ sollten mit dem Beschluß des georgischen Parlaments vom 15. Februar 2006 endgültig aus dem Weg geräumt werden, indem die Bezeichnung „Südossetisches Gebiet“ in der georgischen politischen Sprachlandschaft mit einer anderen, neutraleren, Bezeichnung, „Zchinwali Region“, ersetzt wurde.
Siehe: „Der georgischer Parlamentsbeschluß über die Lage im ehemaligen Autonomiegebiet Südossetien und über die Fortsetzung des Friedensprozesses....“
Im 6. Absatz des Beschlusses wird “Südossetisches Autonomiegebiet“ sechsmal erwähnt. Auch zu lesen ist:„ Die Erfüllung der übernommenen Verpflichtungen durch die Friedenstruppen im ehemaligen Autonomiegebiet wird negativ bewertet. Die Handlungen der Russischen Föderation sind als permanenter Annexionsversuch dieser georgischen Region zu beurteilen.“
Im Dezember 1992 schien der Konflikt halbwegs gelöst zu sein, aber mit dem militärischen Putsch gegen Gamsachurdias Regierung wurde die Situation zunehmend eskaliert. Im März 1992 brachte Schewardnadse die Region wieder in den Konfliktzustand. Er räumte offiziell ein, daß es einen„Genozid an den Osseten“ gegeben habe und unterzeichnete im Juni 1992 in der Stadt Sotschi eine Vereinbarung mit Russland. Auf Grundlage dieser Vereinbarung wurden in der Region eine gemischte Friedenstruppe bestehend aus ossetischen, georgischen und russischen Armee-Einheiten stationiert. Der Bezirk Achalgori (abermals Leningori ) blieb unter georgischer Kontrolle.
In der Regierungszeit von Schewardnadse wurde aus dem sogenannten georgisch-ossetischen Konflikt ein „eingefrorener Konflikt“. Die georgische Bevölkerung blieb nur in einzelnen Dörfern. Die Region entwickelte sich zunehmend zum Schmugglernest, wovon die vom Kreml eingesetzten Vertreter profitierten.
Nach der Rosenrevolution und in der Nachfolgezeit wurde die territoriale Einheit Georgiens als oberste Priorität definiert. Ausgehend von diesem Prinzip bekam die Problematik um die separatistischen Regionen besondere Aktualität. Trotz aller Versuche zur Konfliktbeilegung, trotz der Anerkennung der territorialen Einheit Georgiens durch Rußland blieb die Politik des Kreml bezüglich Abchasien und Südossetiens unverändert.
Die georgische Regierung wandte sich mehrfach an die Weltöffentlichkeit
und wies darauf hin, daß Rußland diese Konfliktherde weiter dazu nutzen würde, um den gesamten Kaukasus zu destabilisieren. Unabhängig davon versuchte die georgische Regierung die Konfliktbeilegung in der Zchinwali-Region mit eigenen Mitteln voranzutreiben und gleichzeitig die soziale Infrastruktur aufzubauen.
Im April 2007 wurde durch Beschluß des georgischen Parlaments eine provisorische Verwaltung der Zchinwali-Region (Südossetien) errichtet. An die Spitze der Verwaltung wurde Dimitri Sanakoew gesetzt. Die provisorische Regierung bekam einen eigenen Haushalt für soziale Rehabilitation und für den Aufbau der Infrastruktur in der Region.
Just in diesem Moment verschärfte Moskau die Situation und setzte seine Agentur in der Region in Bewegung. Moskau bereitete offen eine neue Aggressionspolitik vor, wovor der georgische Präsident die Weltöffentlichkeit ausdrücklich warnte.
Am 8. August 2008 wurde die Welt Zeuge einer russischen Aggression, welche auch den Beweis lieferte, daß die sogenannten georgisch-osssetische und georgisch-abchasische Konflikte in Wirklichkeit als georgisch-russische Konflikte zu betrachten sind. Mehr noch, dies sind Konflikte zwischen zwei Systemen, zwischen freier und imperialer Welt, zwischen Demokratie und Imperialismus. Die freie Welt bekam erneut die Gefahr der aggressiven Expansionspolitik des russischen Reiches deutlich zu spüren.
Aus dem georgischen von Nana Celidze-Jacques
Nabucco - Geopolitischer Lackmustest des Kaukasus
von Gotscha Djelia
Russland wird demnächst der ganzen Welt zeigen wollen, dass es eine Friedensmission erfolgreich durchführen kann. Dafür muss es zwei verfeindete kaukasische Länder an den Verhandlungstisch setzten. Am 2. November, wird in Moskau, Herr Medwedev Gastgeber für die Präsidenten aus Azerbaidjan und Armenien sein.
Das Problem Karabach verkauft Herr Medwedjev als einen „Kampftraum". Sobald die Gesprächspartner am Verhandlungstisch sitzen, werden die russischen Medien "der restlichen Welt hervorragend erklären“, wer der Aggressor in „Süd Ossetien“ gewesen sei und dass die Russen Friedensstifter seien deren Friedensmission in Zkhinwali und Abkhasien den aggressiven und kompromisslosen georgischen Charakter unterminiere.
„Russland war immer und wird immer ein Stabilitätsgarant im Kaukasus sein “ – Russland wird am 2. November versuchen, Putins These mit realen Taten zu kräftigen.
Die Experten denken, dass die Russische Militärelite niemals zulassen wird, die Konflikte endgültig zu regulieren. Man wird natürlich diese Frage auch nicht beim diesen Treffen entscheiden, aber Karabachs eingefrorenen Konflikt nun einmal von der Stelle zu bewegen, wird ein politischer Sieg für Russland sein. Es wird sich auch keiner, wie bei der Genfer Konferenz, beklagen, dass das Gespräch gescheitert sei. Vermutlich werden sich alle drei Präsidenten über das gegenseitige Vertrauen und die Zukunftsperspektiven äußern.
Die neu gegründete armenische Bürgerbewegung „Einheit“ fordert, dass Armenien ARTSAKH aufgeben soll (Artskh: Berg Karabach) und Azerbaidjan die Region mit der späteren Perspektive auf eine Einbindung anerkennen soll. Zu einem solchen „Kompromiss“ ruft die Opposition nach Ilham Alievs Programmankündigung, - „Azerbaidjan wird niemals eine Angliederung Karabachs an Armenien akzeptieren“ auf. Wie viel Platz für einen Kompromiss bleibt ist dadurch klar.
Was soll Russland Armenien versprechen, damit dieses die territoriale Integrität Azerbeidjans anerkennen würde und darauf verzichten würde eine von der azerbaidjanischen Bevölkerung entleerte Region durch Krieg zu besetzen die ca. 30 % des Landes umfasst? Und was wird Russland von Azerbeidjan verlangen, wenn Armenien fast eine Million Flüchtlinge wieder zurückkehren lässt und in der einen oder anderen Form Azerbaidjans Rechte anerkennen wird?
Es ist nichts unmöglich. Die Frage ist, was es für jede Seite das kostet. Wie es aussieht wird Russland für die kaukasische geopolitische Politik als Haupt „Belohnung“ das Projekt Nabuko der USA benützen. Durch seine Lebensnotwendigkeit für den Westen wird es dieses Projekt nicht blockieren können, aber es wird versuchen die geplante Trassenführung so zu korrigieren dass sie an Georgien vorbei gehen wird.
Der Politologe Soso Tsintsadze: Nabuko ist nicht Baku-Jeihan, das ist viel mehr. Wenn Baku-Jeihan ein erstes Ärgerniss für Russland war, ist Nabuko nahezu ein Kriegsgrund. Dies aus dem grund, dass in Turkmenistan und Kasachstan immer mehr Gasvorkommen entdeckt werden. Die beste Variante für Russland ist, dieses Projekt zu beenden, aber das ist jetzt nicht mehr machbar. Das Projekt kostet ca. 12 Milliarden und die Konsortien sind sehr bemüht dieses Geld zu mobilisieren. Es ist unwahrscheinlich, dass Russland durch die Verlegung der Trassenführung durch Armenien das gewünschte Resultat bekommt. Aber der Westen wird nicht zulassen, dass das Projekt über Russland läuft. Dieses Projekt braucht man allein deswegen, weil es nicht durch Russland gehen soll.“
Russland wird in erster Linie versuchen, diese Leitung nicht über Georgien laufen zu lassen. Deswegen bemüht es sich aktiv, dem Image von Georgien als einem stabilen Land zu schaden. Ein Tauwetter zwischen Armenien und Azerbeidjan möchte Russland aber nur so weit, um dem Westen die Priorität der armenischen Zustimmung vorzuspiegeln. Wenn dieser Weg entschieden ist, wird Russland eine permanente Spannung zwischen Azerbeidjan und Armenien und zwischen Armenien und der Türkei anstreben, damit die kaukasische Alternative zu Gazprom nicht funktioniert. Russland bevorzugt einen unstabilen Südkaukasus, nicht nur um die eigene Macht zu behalten, sondern um gegenüber Europa das Druckmittel der Energie zu behalten.
Der Wirtschafts- Experte Temur Giorkhelidze meint, dass die Realisierung dieses Projektes für Europa wichtiger ist als die Frage ob die Pipeline durch Georgien oder woanders verläuft. „Russland und die EU möchten ihre Konfrontation nicht vertiefen, Russland wird versuchen eine Korrektur auszuüben um die Trassenführung zu ändern, das ist absolut realistisch“. Diese Meinung teilt der Politologe Soso Tsintsadze nicht:“ Als Alternativen zur georgischen Trasse gibt es zwei Möglichkeiten: durch Armenien oder durch den Iran. Der Iran kommt wegen der Auseinandersetzung mit dem Westen nicht in Frage. Was den armenischen Weg betrifft, hier sehen die USA starke russische Interessen“
Die USA haben große Hoffnungen an dem Nabucco Projekt und bieten Europa dadurch eine Gasversorgungsalternative. Eine Teilnahme Russlands ist für die USA nicht vorstellbar, das heißt jede andere Trassenführung außer Azerbeidjan - Georgien-Türkei ist für USA geopolitisch problematisch. In dieser Frage sind die Interessen von Georgien und den USA identisch.
Die Armenische Trassenführung ist für sie wiederum in unmittelbarer Nähe von Iran. Jede Berührung mit dem Iran bildet für die USA ein gewisses Risiko. Die armenische Lobby in den USA wird nach den erfolglosen Versuchen die Baku - Jeihan und Kars - Akhalkalaki Projekte zu blockieren trotzdem versuchen, die aktuelle Lage Georgiens auszunützen und dass Projekt zu behindern. Aber es ist unwahrscheinlich, dass die amerikanische Administration der Armenischen und noch weniger der iranischen Variante zuzustimmen wird.
Turkmenistan und Kasachstan ihrerseits versuchen einen direkten Kontakt mit dem Westen zu haben. Die russische Gazprom bietet 1/3 des Preises der europäischen Abnehmer. Deswegen ist trotz der pro-russischen Haltung die neue Pipeline, die über den Süd Kaukasus und die Türkei verläuft, finanziell attraktiver. Ob die Leitung über Georgien oder Armenien geht, darüber möchten sie sich nicht den Kopf zerbrechen.
Wie weit lohnt es sich für Armenien, ein Transitland zu werden? Wird es das Russisch-Azerbeidjanische Angebot annehmen und in Fragen Karabach auf Kompromisse eingehen? Eines steht aber fest: Wenn der Karabach - Konflikt gelöst ist und die russischen Militärbasen ihre Funktion dort verlieren, dann ist die hält die armenische prorussische Orientierung nicht mehr lange. Das weiß Russland auch sehr gut. Deshalb wird es weiter versuchen die Spannungen in dieser Region nicht abzubauen. Was ist das Minimum der Kompromisse, die Russland für eine Zusammenarbeit an dem Projekt Nabucco anbietet? Das wird das Treffen am 2. November zeigen.
Das wichtigste Wort über Nabucco hat aber Azerbeidjan zu sagen. Ilham Alijew versucht, eine Balancepolitik zwischen Russland und dem Westen durchzuführen. Der Vize Präsident der USA, Richard Cheyney konnte vor kurzem bei seinem Besuch in Baku keine endgültige Antwort von Alijew bekommen. Wie es aussieht wird der azerbeijanische Präsident nach dem Treffen in Moskau, wo entschieden wird, wie weit Russland und Armenien in der Frage der Deokkupation des Karabachs gehen werden, entscheiden wie viel von seinem strategischen Freund Georgien er dafür aufgeben muss.
Es ist zu bezweifeln, dass Armenien ohne einen greifbaren wesentlichen Kompromiss zu einer Zusammenarbeit bereit wäre. Die russische Diplomatie steht vor einer großen Herausforderung.
Und zuletzt, was die Zusammenarbeit der georgischen Regierung betrifft, hat diese auf die aktuellen Vorgänge nur sehr geringen Einfluss. Sosos Tsintsadze meint: „Die Gefahr, dass Georgien außerhalb des Projektes bleibt, besteht. Der Westen bevorzugt bekanntlich seine wirtschaftlichen Interessen. Unser Glück war in der letzten Zeit, dass es eine Übereinstimmung zwischen wirtschaftlichen und politischen Interessen gab und dadurch waren wir im Vorteil. Was heute abläuft und was morgen sein wird, darauf fällt es schwer, ein Antwort zu geben“. Hoffnung und nur Hoffnung, dass die geopolitischen und die wirtschaftlichen Interessen der heutigen Welt unser Land nicht außen vor lassen.
31.10.2008
Trotz Kaukasus-Krise: EU-Kommissar Piebalgs will 'Nabucco'-Gaspipeline vorantreiben
Die Europäische Kommission will den Bau der geplanten 'Nabucco'-Gaspipeline beschleunigen. Energiekommissar Piebalgs reist morgen zu Gesprächen mit Regierungschef Erdogan nach Ankara. Die Türkei verlangt unter anderem eine Deckung ihres Bedarfs zu günstigeren Konditionen. - Anschließend wird Piebalgs in Aserbaidschan erwartet, um dort mit Regierungsvertretern über den Verkauf des landeseigenen Gases an ein europäisches Konsortium zu verhandeln. - Über die Pipeline soll unter Umgehung Russlands Erdgas vom Kaspischen Meer über die Türkei und Georgien bis nach Österreich geliefert werden.
DLF 04.11.08
„Den Krieg gegen Georgien bereitete Russland vor und fing ihn selbst an“
Dr. Andrei Illarionov
Warum begann der russisch-georgische Krieg? Das war ein vollmaßstäblicher Krieg unter Einbeziehung aller Arten von Truppen. Er besteht weiterhin, trotz eines Waffenstillstandsabkommens.
Der russisch-georgische Krieg ist Teil eines anderen großen Krieges, in dem Russland beabsichtigte dem Westen einen Schlag zu versetzen. Die Frage ist, warum attackierten die russischen Truppen Georgien an drei Fronten und waren bereit, am 12., 13., 14. und 15. August noch von zwei weiteren Stellen anzugreifen? Die offizielle Version der russischen Propaganda über die Anerkennung
Süd-Ossetiens unter dem Schutzmotiv eigener Bürger, hält keiner Kritik stand. Wenn das Ziel Russlands die Anerkennung der Völker, die sich Unabhängigkeit wünschen, wäre, sollte Moskau zuerst die Unabhängigkeit Tschetscheniens anerkennen.
Das tschetschenisches Volk brachte den Wunsch, sich vom Russland zu trennen, mehrmals zum Ausdruck, unter anderem auch bewaffnet.
Tschetschenien wurde nicht anerkannt. Es sind dorthin Kampfpanzer, Raketenwerfer („Grady“), Artillerie, ABC-Truppen versetzt worden. Eine beträchtliche Anzahl der tschetschenischen Kämpfer wurde durch chemische Waffen umgebracht.
Wenn über die Verluste in Süd-Ossetien gesprochen wird, werden die Zahlen von mehreren hundert Todesopfern genannt. In Süd–Ossetien starben 134 Menschen, davon 80% Soldaten, die mit der Waffe in der Hand kämpften und 20% Zivilbevölkerung. Selbstverständlich ist das eine Tragödie, unabhängig davon, ob es Soldaten oder friedliche Bewohner waren, trotzdem ist das nicht mit Tschetschenien zu vergleichen, wo insgesamt 200 000 Menschen von beiden Seiten starben.
Mit Berücksichtigung all dieses sollte die russische Regierung erst die Unabhängigkeit von Tschetschenien, dann von Kosovo anerkennen. Das geschah weder vor der Anerkennung von Abkhasien und Süd-Ossetien, noch danach. Hauptsache für die russische Führung ist nicht das Selbstbestimmungsrecht der Völker, sondern die Politik des doppelten Standards.
Daher klingt die Behauptung, Russland beschützte die Interessen eigener Bürger in Süd-Ossetien, nicht überzeugend.
Ja, 90% der Bevölkerung von Süd-Ossetien sind russische Bürger. Auf dem Gebiet des ehemaligen südossetinischen Bezirkes lebten etwa 48.000 Bürger ossetinischer Herkunft und 20.000 Georgier. Etwa 10.000 Ossetiner unterstützten die pro-georgisch – ossetinische Verwaltung unter Führung von Dimitri Sanakoev. Zu Erinnerung: In den 90-iger Jahren war Sanakoev einer der Führer der separatistischen Bewegung, der sich später mit seinen 500 Anhängern von Kokoiti trennte, ein anderes Verwaltungssystem bildete und sowohl georgische, als auch ossetinische Dörfer kontrollierte.
Wenn die russischen Machthaber dem Ziel folgen würden eigene Bürger zu beschützen, sollten sie das in Turkmenistan tun, wo die Rechte der allein gelassenen Russen verletzt wurden.
Schutz der russischen Bürger ist eine scheinheilige Behauptung, die als Vorwand für die Einleitung von militärischen Aktionen dient.
Die weitere Vorwand – der so genannte Genozid an Ossetiner seitens georgischer Armee. Der Vorwurf des Volkermordes unter Angabe der Zahlen – 1400, 1600, 1800, 3000 kam erst mal am 8. August um 17 Uhr aus dem Mund von Kokoiti, obwohl er Tskhinvali vor den militärischen Handlungen verlassen hat.
Seit mehreren Wochen, berichten die offiziellen russischen Medien nach wie vor über diese Zahlen, trotz der Tatsache, dass Putin bei seiner Ankunft in Wladikawkas am 9.August mit großer Mühe aussprach, dass mehrere Dutzend Menschen gestorben sind. Nach einem Monat berichtete die Sondergruppe der russischen Generalstaatsanwaltschaft, die in Süd-Ossetien ermittelte, über 134 Tote, davon - 80% der Kämpfer, 20% der Zivilbevölkerung.
Bis jetzt gibt es nur drei Fälle von Völkermord nach dem internationalen Recht bestätigt: der Völkermord an den Armenier des osmanischen Reiches, der Völkermord an den Juden-Holocaust von Nazi-Deutschland und Völkermord in Ruanda 1994. Zur Zeit redet man vom Völkermord in Sudan, wo mehr als eine halbe Million Menschen gestorben sind. Alle andere Fälle qualifizieren sich als ethnische Säuberungen. Schlüsselparameter um Genozid zu definieren ist die Anwendung der staatlichen Maschinerie für die Vernichtung nach ethnischen Merkmalen. Sogar der Fall im Kosovo, wo 30 000 Kosovo-Bewohner starben und etwa eine Million das Land verließen, wird nicht als Völkermord gesehen.
Die gegenseitige Vernichtung der Abkhasen und Georgier war eine ethnische Säuberung. 1992 – 1993 starben dort 3000 Abkhasen und 17 000 Georgier. Zum Zeitpunkt des Zusammenbruches der Sowjetunion bildeten Abkhasen 17% und Georgier 52% der Bevölkerung. Dem Krieg zu Folge sind 250 000 Georgier aus Abkhasien geflohen. Zur Zeit leben die Georgier nur noch im Bezirk Gali. So dass keine von den offiziellen Erklärungen des russisch – georgischen Krieges der Realität entspricht.
Weswegen begann denn der russisch - georgischer Krieg? Eine der Antworten sind die Prozesse, die während der letzten vier Jahren in Georgien laufen. Kurz gefasst: Es wird ein moderner, europäischer, demokratischer Staat aufgebaut, der Verantwortung für Menschen trägt. Ich beschäftige mich lange genug mit den wirtschaftlichen Reformen in verschiedenen Ländern zu unterschiedlichen Zeiten und muss ich sagen, dass sonst in keinem anderen Land in der Welt so viele Reformen solcher Qualität innerhalb so kurzer Zeit durchgeführt worden sind.
In den letzten drei Jahren stieg das Wachstum der georgischen Wirtschaft von 11% bis 13% pro Jahr - mehr als in China. Und das ohne Erdöl und Gas. Vor dem Konflikt importierte Georgien Strom aus Russland. Wenn jemand vor 3 – 5 Jahren vermutet hätte, dass Georgien nach Russland Elektrizität exportieren würde, würde ihm niemand glauben und ihn für einen Visionär halten. In der Wirtschaft in Georgien ist ein Wunder geschehen. Der Zustrom von ausländischen Investitionen ins Land belief sich auf 17 – 18% des BIP. In Russland bestehen die Investitionen von Privatkapital kaum mehr als 1% des BIP. Hier muss man bedenken, dass Georgien ein kleines Land mit ungelösten Problemen und einem kleinen Markt ist.
Es muss erwähnt werden, welche Bedeutung in wirtschaftlicher Hinsicht Abkhasien und Süd–Ossetien haben. Kurz gesagt, das sind die stalinistischen Enklaven, besonders Süd–Ossetien. Die letzten vier Jahre arbeitet hier weder die Bevölkerung noch sucht nach der Beschäftigung. Die Menschen leben von Subventionen aus dem russischen Haushalt, die ständig wachsen und 700 Millionen US$ erreicht haben. Wenn man diesen Betrag auf 40 Millionen Menschen aufteilt, stellt man fest, dass Moskau keine ihrer eigenen Regionen so subventionierte, wie Süd–Ossetien.
Putin beschloss und stellte weitere zusätzliche 10 Milliarden russischen Rubel zur Verfügung. Jetzt wird ein großer militärischer Stützpunkt in Dzhava gebaut, wo die Artillerie noch vor dem Konflikt eingeführt wurde.
Es muss darauf hingewiesen werden, dass das Niveau der Militarisierung von Abkhasien und Süd–Ossetien vor dem Ausbruch der militärischen Handlungen recht hoch war. Im letzten Monat berichtete die russische Propaganda, dass Georgien ein äußerst militarisiertes Land ist, dessen militärisches Budget im Laufe der letzten vier Jahre von 30 Millionen bis auf 1 Mrd. US$ gestiegen ist. Zur Zeit wird 8% des BIP für den Militär-Haushalt verbraucht. Das ist eine solide Summe, aber nach einer Normierung der Zahl der Soldaten auf tausend Einwohner ergeben sich folgende Verhältnisse: Auf 100 Menschen in Georgien kommen 6 Soldaten, in Abkhasien 60, in Süd-Ossetien 65, mehr als zehn mal.
Auf Tausend Einwohner in Georgien kommen 22 Reservisten, in Abkhasien 165, in Süd-Ossetien 326, fast 15 mal mehr.
Georgien hatte 4 – 6 Artilleriesysteme auf 100 000 Menschen, Abkhasien 35,
Süd–Ossetien 190. Das Gleiche bei den gepanzerten Fahrzeugen: Georgien hatte 5 Panzertransporter auf 100 000 Menschen, Abkhasien 75, Süd–Ossetien 391.
So sehen die Verhältnisse aus, ohne Berücksichtigung der Daten, dass Russland eine ganze Menge von Militärkraftfahrzeugen nach Abkhasien und Süd–Ossetien verlagert hat. Im Mai und Juli wurden allein nach Abkhasien mehr als 1500 gepanzerte Fahrzeuge, Artilleriegeschütze, Kampfpanzer und andere Arten von Militärtechnik verlagert.
Wir haben keine Angaben über das BIP Abkhasiens und Süd-Ossetiens, aber indirekt ist es einschätzbar. Nach groben Schätzungen in den letzten 4 Jahren verbrauchte Abkhasien 50% seines Haushalts für den militärischen Bereich,
Süd - Ossetien 60%. Und dieses ohne Erwerb von Militärtechnik. Es ist klar, dass Russland Waffen kostenlos zur Verfügung stellte. Diese Daten sind mit den Militär-Haushalten von USA (52%) und Großbritannien (52-54%) auf dem Höhepunkt des zweiten Weltkrieges zu vergleichen.
In Anbetracht des oben Genannten kann man absolut genau sagen, das in Abkhasien und Süd–Ossetien noch vor dem Konflikt vom 7. August die russischen Militärstützpunkte existierten und Abkhasien und Süd-Ossetien schon vor dem August zu den höchst militarisierten Regionen der Welt gehörten, mit Ausnahme von Nord-Korea.
Wir müssen genau verstehen, wer wen in diesen militärischen Aktionen entgegnete.
Das Ziel der russischen Führung war Saakashvilis - Regime zu stürzen. Das verheimlichte niemand in Russland auf allen Ebenen. Krieg gegen Georgien war seit letzten vier Jahren in Vorbereitung. Nachdem die georgische Führung das Problem in Adjarien schmerzlos löste, fing man in Moskau an, an die Beseitigung Saakashvilis zu denken. Im Dezember 2005 wurden die Leiter der russischen Energie-Unternehmen in Kreml gerufen, um die Energie-Blockade von Georgien zu organisieren. Nach der enttäuschenden Resonanz beschloss die russische Führung, selbst die Sache in die Hand zu nehmen, um den Angriff durchzuführen. Kurz darauf wurden alle Pipelines und Übertragungsleitungen, die von Russland nach Georgien führten, gesprengt. Hierbei wurde gemeldet, dass es sich um terroristische Anschläge ging. Die Untersuchungen aber stellten fest, dass es um die Sprengkörperarten ging, die die russischen Sonder-Kommandogruppen benutzen. Danach folgte der Versuch einen georgischen Oppositionsführer zu liquidieren. In 2006 inhaftierten die georgischen Sicherheitsdienste mehrere russische Agenten und übergaben sie Moskau ohne Lärm, mit Bewahrung der diplomatischen Ethik.
Dadurch wurde die Aktivität der russischen Spezialdienste nicht vermindert, sondern vergrößert. Im September 2006 wurden weitere 4 russische Agenten verhaftet, diesmal öffentlich. Darauf folgend begann die Blockade von Georgien bei Transport, Visa, Wein, Mineralwasser „Bordjomi“...
In diesem gesamten Zeitraum verstärkte Russland seine militärischen Enklaven in Abchasien und Süd-Ossetien. Die russischen Diplomaten gaben offen zu, dass die militärische Operation gegen Georgien bis September dieses Jahres bevorstand. Russland stellte die Eisenbahnstrecke bis Ochamchire wieder her, legte eine zweite Linie von 54 km Sukhumi-Ochamchire neu und führte 50 Transportzüge mit militärischer Fracht im Mai - Juni genau über diesen Weg durch. Es schaffte den Eindruck, als ob der Angriff von Abchasien aus stattfinden würde.
Der Beschuss georgischer Dörfer auf dem Territorium Süd-Ossetiens begann am 1. August. Früher, wie üblich, nach Antwortbeschuss der georgischen Seite hörten die Ossetiner auf. Dieses Mal war es anders. Die ossetinische Seite setzte den Beschuss fort. Es wurde nicht nur aus automatischen Waffen geschossen, sondern gab es auch das Artilleriefeuer. Am 6. August meldete der südossetinische Informationsdienst öffentlich, dass sich dort bereits die russischen Armeeeinheiten befanden.
Am 3. August trafen der russische stellvertretende Verteidigungsminister Nikolai Panko und der Leiter des Aufklärungsdienstes ein. Sie trafen sich mit Kokoiti. Nach ihrer Abreise ging er nach Dzhava und die Evakuierung der Bevölkerung begann. Am gleichen Tag, am 3. August fing die Mobilisierung der Söldner im Nordkaukasus an. Das bedeutet, dass Russland am 3. August mit militärischen Aktionen begonnen hat.
Zu dieser Zeit wurden bereits die 58 Armee, mehrere Einheiten mit 9 tausend Soldaten und 700 gepanzerte Fahrzeuge in Richtung georgischer Grenze versetzt. Am 6. August wurde die georgische Seite vom Roki – Tunnel durch russische Grenzschützer besetzt. Vom 3. bis 7. August berichteten russische Medien über den Ausbruch eines Krieges, der noch nicht begonnen hatte.
Am 7. August versuchte die georgische Seite mit der Ossetinischen die Geschehnisse zu klären. Der georgische Staatsminister für Reintegration Temur Yakobashvili machte sich auf den Weg nach Tskhinvali, um sich mit Kokoiti zu treffen. Das Treffen sollte der russische Botschafter zu besonderen Aufträgen Popov vermitteln. Selbst Popov kam zu diesem Treffen nicht. Als Ursache wurde ein platter Reifen genannt. Als ihm empfohlen wurde den Ersatzreifen zu benützen, antwortete er, der Reifen sei unbrauchbar. Yakobaschvili traf sich mit dem Kommandeur der Friedenstruppen Marat Kulahmetov, der den einseitigen Waffenstillstand empfiehl. Um 18.30 Uhr berichtete Yakobashvili den Präsidenten Saakaschvili über den Vorschlag des Generals per Telefon. Um 19:00 Uhr trat Saakashvili im Fernsehen auf und meldete offiziell, dass georgische Seite an Frieden interessiert ist. Er ist ein Mann mit Charakter und Überheblichkeit, trotzdem bat er fast flehend die Lage zu verhandeln. Er kündigte einen einseitigen Waffenstillstand an. Um 22:10 Uhr fing die ossetinische Seite an, die georgischen Dörfer – erst Tamarasheni, dann die restlichen Orte massiv zu bombardieren.
Nach Informationen zu der Zeit dort anwesender russischer Journalisten war Tskhinvali faktisch von der Bevölkerung geräumt. Es gab mehr Journalisten als Bewohner. Weiter nach diesen Informationen waren viele russische Soldaten und Zivilisten sportlichen Körperbaus mit der offensichtlichen militärischen Haltung in der Stadt anwesend. Nach offiziellen Angaben sind 34 tausend Menschen vor den militärischen Handlungen nach Nord-Ossetien evakuiert worden.
Zu dieser Zeit rückten 150 russische Kampfpanzer und Personal auf das südossetische Territorium vor. Nach Erscheinen der russischen Kampfpanzerkolonne von Verteidigungsministerium kam die georgische Führung zu dem Schluss, dass der Krieg, worüber die russischen Politiker seit langem sprachen, damit begonnen hat.
Danach breiteten sich die Kämpfe in drei Richtungen aus: der Sturm auf Tskhinvali, Kampf bei Dzhava und in Richtung Roki-Tunnel. Beide Seiten erlitten schwere Verluste.
Es ist hinzuweisen, als am Abend des 10. August die russischen Panzer durch den Roki-Tunnel kamen, besetzten gleichzeitig die russischen Einheiten das obere Abkhasien und die russische Schwarzmeerflotte lag bereits vor der georgischen Küste. Militäranalytiker haben angesichts der Geschwindigkeit der Schiffe errechnet: Um am 9. und 10. August in Poti einzutreffen, sollten die Schiffe Sewastopol am Abend des 7. August, vor dem Angriff auf Tskhinvali oder in dem Moment verlassen haben. Es muss gesagt werden, dass das russische Verteidigungsministerium die Militäreinheiten bei Zemo Larsi und an den georgisch-armenischen Grenzen mobilisiert hat. Nach dem, was geschehen ist und was jetzt geschieht, ist unverkennbar, dass der Krieg noch nicht beendet ist. Er wird weiterhin bestehen.
Das strategische Ziel dieses Krieges - Regierungswechsel in Georgien hat niemand aufgehoben. Es wird kein Geheimnis daraus gemacht, dass die westliche Orientierung Georgiens für Russland inakzeptabel ist. Ich denke, alles fängt erst jetzt an. Die russischen Machthaber haben sich gegenüber Georgien so benommen wie eine Gaunerbande, wenn sie den Schwachen angreift. Die baltischen Länder anzugreifen, wird Russland nicht wagen, da das Baltikum unter dem Schutz der NATO steht.
Die demokratische und europäisierte Ukraine ist für Russland genauso inakzeptabel. Die Haltung von Kiew, das Tbilisi im Augustkonflikt offen unterstützte, fand kein Gefallen in Moskau.
Quelle: 29. August 2008 http://censor.net.ua/go/viewTopic--id--254116
Aus dem Russischen von Mzia Maisuradze-Stolley
Giwi Margwelaschwili
Geboren 1927 als Sohn georgischer Emigranten in Berlin
1946 wurde er vom sowjetischen Geheimdienst NKWD, in
Sachsenhausen interniert und anschließend nach Georgien verschleppt.
Dort arbeitete er am Philosophischen Institut der Akademie der Wissenschaften.
Erst 1987 konnte er nach Deutschland ausreisen
1994 erhielt er die deutsche Staatsbürgerschaft und ein Ehrenstipendium
des Bundespräsidenten. 2006 erhielt er die Goethe-Medaille
2008 wurde ihm das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der
Bundesrepublik Deutschland verliehen. Er ist Mitglied des P.E.N und lebt in Berlin
Interview mit dem Philosophen und Schriftsteller Giwi Margwelaschwili
Geführt von Frank Tremmel und Marika Lapauri-Burk
1. Was wäre für Sie die Literatur des 21. Jahrhunderts? Welchen Maßstäben müsste Sie genügen? Welche Themen halten Sie für zukünftig?
Meine Ansicht ist, dass sich da grundsätzlich nichts verändert, dass es immer dieselbe Literatur war und dieselben Leser sind. Es ist immer so zu jeder Zeit. Es ist auch in unserer neueren Zeit so, dass es weit mehr realistisch orientierte Leser geben wird und sich viel weniger surrealistische Leser finden lassen. Mit surrealistischen Lesern meine ich solche, welche in der Literatur ein Kunststück sehen wollen, ein textliches Kunststück. Die überwiegende Mehrheit wird dagegen den realistischen Bericht bevorzugen. Ich sage nicht, dass das kunstlos ist. Das kann auch große Kunst sein. Aber das ist mit dem, was ich meine, wenn ich von dem literarischen Kunststück spreche, überhaupt nicht zu vergleichen.
Wenn wir uns jetzt der Literatur des vorigen Jahrhunderts in Frankreich zuwenden, dann können wir mit dem Neuen Roman, mit Claude Simon, Natalie Sarraute, Jean Ricardou u.a. einen unerhörten Anfang feststellen. Man dachte, man könne immer so weiter machen. Das war ein Fehlschluss. Jetzt gehört der „neue Roman“ zur Klassik und was wieder dominiert, das ist der realistische Bericht. Es ist der realistische Bericht über konkrete Vorgänge in der Lebenswelt des Menschen, nur eben fantasievoll ausgeschmückt. Aber das ist nicht das, was ich unter dem literarischen Kunststück verstehe. Von einem Kunststück kann nur gesprochen werden, wenn der Text über den Sinn dominiert.
So wird beispielsweise bei Proust die Erinnerung an die Vergangenheit, durch einen Kuchengeschmack ausgelöst. Dieser Geschmack ist ein Kontext, er bildet den Rahmen der Erzählung. Das Neue bei Proust besteht also darin, dass der Kontext den Verlauf des Sujets, die Entfaltung des Sujetsinnes beschreibt. Es ist der Kontext zwischen völlig zeitdifferenten narrativen Ereignissen, der hier die ganze Narration bestimmt. Darin zeigt sich, wie der Text den Sinn dominiert, wie er den Sinn leitet. Nun ist der Text immer Kontext. So ist der Geschmack bei Proust in den Kontext einer entfernten Vergangenheit gesetzt. Dieser Kontext ist entscheidend für den ganzen Erzählverlauf, der Narration bei Proust.
Es war so in der Literatur des 20. Jahrhunderts und es wird auch im 21. Jahrhundert genau so sein! Das wird eine Literatur sein, die von dem ausgeht, was in diesem 21. Jahrhundert geschieht und das wird lediglich fantastisch ausgeschmückt. Es wird also der realistische Bericht weiterhin dominieren. Die wenigen Artisten, d.h. Textkünstler sind immer in der Minderzahl, aber es wird sie auch immer geben, denn das ist auch ein ewiger Trend im literarischen Schaffen. Kunststücke sind in jedem Jahrhundert generell weniger gefragt. Der literarische Künstler macht Kunststücke, um gesehen zu werden. Es kommt also darauf an, dass der Künstler erlebt bzw. sieht, dass man Interesse an ihm hat. Dann wird er auch sich bemühen, mit immer neuen Kunststücken aufzuwarten.
Ist da auch ein Unterschied zwischen literarischen Kunstwerken und anderen Kunstwerken?
Es ist überall dasselbe Prinzip, in allen Kunstbranchen. Das ist ein allgemeines Gesetz. Das unmittelbar Wahrgenommene, das Perzeptive ist offenbar immer eingängiger und kommt bei der Masse an. So ist es in der Musik, im Film, in der Malerei und bei der Skulptur. Wo das aber das perzeptive Moment in den Hintergrund tritt, wo das Unsichtbare sichtbar gemacht wird, da fängt der Bereich des Kunststücks an und da nimmt die Leser- oder Zuschauermenge ab. Es ist ja so, das diese abstrakten Dinge, auch in der Musik, nur ein schmales Auditorium haben, ein sehr schmales Auditorium. So gibt es beispielsweise neben dem Jazz den Free Jazz, den nur Improvisatoren machen. Das will man aber nicht hören. Was man hören will, das ist diese Zirkusmusik! Das ist schon ein ganz gewaltiger Faktor, dieser Realismus. Das findet man interessant. Ich will damit nichts dagegen gesagt haben. Ich sage ja, das ist durchaus statthaft. Das andere, das ist etwas für Kenner und dabei bleibt es.
Stimmt das auch, wenn man die Literatur insgesamt nimmt? Wir haben jetzt über die unmittelbare Vergangenheit gesprochen, beispielsweise über die Franzosen, die sie erwähnten - aber wie ist das mit Homer, Servantes, Rustaveli? Trifft da ihre Charakterisierung bezüglich der realistischen und der surrealistischen Tendenz auch zu? Waren die Menschen immer so, oder ist es ein Produkt der zivilisatorischen Fortschritte, der Verbreitung des Lesens, des Buches, usw.?
Es gibt im Prinzip in allen literarischen Epochen diese Pendelbewegung zwischen den beschriebenen Tendenzen. Lediglich die Dichte bzw. Intensität der Schwingungen nimmt in unserem Zeitalter zu. Früher war das weniger spürbar, aber auch bereits vorhanden. So sagt der Dante seinem Leser, „Du, der du dies liest, höre das neue Spiel.“ Er sieht also das Vorangegangene bereits als Spiel an. Da haben wir bereits das Textkunststück bei einem Autor, der aber unter diesem Gesichtspunkt nicht wahrgenommen wird.
Die Schwingung läßt sich auch im Mittelalter konstatieren. So gab es z.B. die höfische Poesie bei „Walther von der Vogelweide“. Aber darauf folgte die Spruchdichtung, beispielsweise bei Neidhart von Reuental mit derben Bauernwitzen und halberotischen Situationen. Er zieht die Wirklichkeit stärker hinein, macht sie prägnanter. Das sind also große Unterschiede. Es gibt da ungefähr eben auch eine Parallele zu dem, was heute ist. Das ist immer so gewesen. Die Künstler waren zunächst von der künstlichen Kunst, dem Kunststück ganz begeistert, aber dann wurde langsam zu den realistischen, unmittelbaren Wahrnehmungseffekten übergegangen. So ist es auch in der Poesie des 20. Jahrhunderts, z. B. bei Rilke, der ja nicht zu Unrecht als der Walther von der Vogelweide unserer Zeit bezeichnet wurde. Er war ein eminenter Sänger, aber nicht einmal in seiner Heimat Wien will man ihn noch hören. Da sagen die Leute: Ach der! Das kann man ja nicht mehr hören! Die ganze Entwicklung der Kulturwelt verläuft so, dass sich immer wieder alles auf das Nächste, auf das Sichtbare hin bewegt.
2. Welche literarischen Texte der Vergangenheit haben für Sie auch heute noch Bedeutung? Sehen Sie Vorläufer oder gar Traditionen ihrer eigenen literarischen Ambitionen?
Da gibt es viele, sehr viele. So oder so haben alle irgendwann einmal auch den Text zum Gegenstand ihres Schreibens gemacht. Das fängt schon sehr früh bei den Romantikern an. Anspielungen auf den Leser, der etwas liest, gab es schon früh. Aber eine Intensivierung der Anspielungen, auch auf den Leseprozess, dieser Vergegenständlichung des Buches erfolgt erst im 20. Jahrhundert. Hier würde ich an erster Stelle den wunderbaren Italo Calvino erwähnen. „Warum schreiben?“, fragt er und antwortet: „Damit das Buch, das du schreibst, auf dem Regal der Bibliothek neben den anderen Büchern möglichst lange stehen bleibt!“ Er schlägt damit regelrecht die bücherne Dimension der Kulturweltgeschichte auf.
Habe ich das richtig verstanden - das ist erst im 20. Jahrhundert entstanden?
Ja, die direkte Anspielung, die Einbeziehung des Lesers, die besagte Intensivierung kam erst im 20. Jahrhundert auf. Das ist bei Calvino ganz deutlich zu spüren, aber auch bei Borges und auch in der deutschen Literatur ist das so, z.B. bei Gerd Neumann, der ganz eindeutig „textet“. In dieser Hinsicht wäre auch Richard Anders zu erwähnen, der auch ein richtiger Wort- und Textjongleur ist.
Warum ist das ausgerechnet im 20. Jahrhundert so?
Na ja, in dieser Zeit meldet sich die „bücherne Dimension der Kulturweltgeschichte“ am intensivsten zu Wort. Die ganze Kulturwelt ist eine bücherne Dimension. Das Buch ist ein Grundlagenfaktor der Kultur. Das wird jetzt am sichtbarsten, am merk-würdigsten vorgetragen. Das ist ganz unbezweifelbar so und in diese Tradition füge ich mich voll. Ich spreche ja von Buchpersonen, von Textweltwirklichkeiten. Das ist eine Intensivierung, die ich da anbringe, ganz in dieser Tradition, die aber nichts weiter als ein Trend ist. Trotz aller Intensität ist dieser Trend nur marginal.
3. Welche Funktion bzw. Bedeutung haben verschiedene Arten von Texte für Ihre Bewusstseinstheorie? Warum entsprechen moderne Kommunikationsmedien (Fernsehen, Internet) ihrem Anliegen weniger? Warum bevorzugen Sie das Buch? Es hat doch offenbar in ihrer Bewusstseinstheorie einen medialen Charakter. Was kann es, was andere nicht können?
Der dritte Punkt hängt mit dem zusammen, worüber wir schon geredet haben. Was ist ein Text, was ist die Schrift überhaupt? Natürlich hat der Mensch auch intrinsische Veranlagungen: Die Veranlagung für Gesetzmäßigkeiten. Da ist die Intuition, da ist das Taktgefühl, das Gefühl, der Instinkt. Das sind alles ganz große inhärente Bestimmungsfaktoren. Aber wie die historische Erfahrung zeigt, genügt das nicht! Diese Gesetze mussten schriftlich, mussten in der Form eines Buches fixiert werden. Wobei unter Buch auch Tontäfelchen mit Keilschrift oder Papyrusrollen verstanden werden können. Das musste kommen, damit der Aufbau der anthropologischen Lebenswelt, der Kulturwelt überhaupt in Angriff genommen werden konnte. Das Buch im weiten Sinne ist ein unabdingbarer Faktor!
Der Text ist ein Mittel, dem Gedankengegenstand näher zu kommen. Kant hat dafür einen Begriff gehabt: Das Noumenon – das ist der Denkgegenstand. Den Denkgegenstand bekommen wir in der Form eines Textes direkt in die Hand und können ihn betrachten. Wenn wir ihn aussprechen, ist er erloschen. Aber hier, was geschieht hier? Hier haben wir den Denkgegenstand noch unmittelbar als Gegenstand in der Hand und können ihn von allen Seiten beobachten. Wir können darüber grübeln, ihn weglegen und dann wieder hervorholen. Das ist eine eminent wichtige Funktion des Buches, nicht nur des Buches, sondern auch der Schrift, also des schriftlichen Textes. Die ganze Kulturwelt ist eigentlich eine Entwicklung zum Noumenon hin, dahin, das Gedankending immer verfügbarer, auch materiell immer sichtbarer zu machen. Das ist die große Erfindung der Geschichte. In die Geschichte tritt der Mensch ein mit diesem Noumenon in der Hand, mit diesem Werkzeug. Deswegen heißt es Geschichte. Alles andere ist Vorgeschichte, ist die Epoche der „Mache“ eben dieser Sache, der Entstehung dieses Wunders. Das Buch ist der Schoß von allem anderen, ein idealer Container des Gedankendings. Wenn er vorhanden ist, kann die Geschichte beginnen. Angesichts solcher Tatsachen können wir uns nicht der Wahrheit verschließen, dass die Kulturwelt eine bücherne Dimension hat, die eigentlich eine Grundlagendimension ist. Alle anderen Medien brauchen, um überhaupt hergestellt zu werden, des Textes, in dem beschrieben wird, wie man sie anlegen, wie man sie produzieren soll.
Ja, aber ist es auch – Sie entschuldigen, dass ich immer wieder auf die Musik zurückkomme - in der Musik so, dass man die Gedanken konservieren kann?
Die Musik hat ihre eigenen Zeichen. Das ist ja keine Wortsprache, aber sie ist als Kulturgegenstand etwas, worüber man reden können muss. Die Musik hat in der Tat andere Zeichen, aber diese Zeichen müssen doch übersetzbar sein in die Sprache der Wörter. In der Wortsprache bekommt das Musikalische seinen letzten Pass für die anderen, also für die Welt.
Auch die Musik muss semiotisch erfassbar sein?
So ist es. Sofern auch hier das Buch das Vorentscheidende ist. Auch die Musik kann sich nur verständlich machen in Begriffen, in Bedeutungen, mit einer bestimmten Textlichkeit, Kontextlichkeit, die immer bestehen bleibt. Das muss gehen. Wenn sie nicht besprechbar ist, dann wird es schwierig. Manchmal grenzt es hart an diese Nichtbesprechbarkeit. Darum ist der Zuspruch, mit dem die abstrakte, atonale Musik, bei Schönberg, Alban Berg etc. rechnen darf, sehr gering. Aber das ist alles Musik. Auch das Unbesprechbare kann besprechbar werden. Die ganze Kunst besteht hier darin, das Unbesprechbare irgendwie zu fassen. Es kommt auf die Übergänge an.
Es muss also eine Form der Objektivation geben?
Es muss eine Form des Sehens, des Sichtbarwerdens geben.
Alle Kulturvölker fangen an mit einem Buch: Dem Talmud, der Bibel, dem Koran. Das sind Grundlagentexte. Nur die Griechen haben keinen Text. Sie haben das geleistet, wozu die anderen Kulturen nur durch ihr Buch imstande waren. Das ist das Wunder der Griechen und nicht das sie die Philosophie erfunden haben! Sondern, dass sie ohne Buch zum Philosophieren gekommen sind. Was übernimmt aber nun die Rolle des Buches bei den Griechen? Der heilige Tempel! Das Absolute ist dort. Dort geht der Mensch hin und bringt sein Opfer. Dann kehrt er zurück und kann sich mit sich selber befassen. Genauso ist es mit dem Buch. Wir können es aufmachen, können beten, können es zumachen, können es weglegen, können uns mit uns selber beschäftigen. In der Buchfunktion sind auch die Kirchen, die christlichen Dome und die muslimischen Moscheen. Aber alles ist schattiert, alles hat seinen Intensitätsgrad. Im Islam ist die Anziehungskraft der Moschee, des heiligen Buches viel stärker als im Christentum.
Es wäre also gewissermaßen möglich, eine Art Kulturanthropologie anhand dieser Intensitätsgrade zu entwickeln?
Das ist richtig. Alles ist Intensität! Das sagte schon Husserl. Das muss man nur richtig verstehen – dann haben wir den Blick auf die Geschichte!
Das Buch hat ja seine Entwicklung. Das sind alles Stationen der kulturweltlichen Entwicklung. Die Vorstufe dazu ist die Bibliothek. Alle Themen sind da verfügbar. So ist man heute beim Internet angekommen. Wir haben das elektronische Buch, das die ganze Welt einschließt.
4. Ihre Literatur setzt offenbar einen bestimmten Leser voraus. Vielleicht könnte er als ein Mensch bezeichnet werden, dem die Übergänge vom Leben zum Bewusstsein leichter fallen als dem traditionellen Leser. Welche Qualitäten wären ihm zuzuschreiben?
Da muss ich wieder bei der ersten Frage anfangen. Aber es wäre ein weiteres kleines Moment hinzuzufügen: Es ist zweifellos so, dass es immer Leser geben wird, die literarische Kunst-Stücke bevorzugen und solche, die das Realistische bevorzugen, aber nun dreht es sich ja nicht nur um Literatur, es dreht sich ja auch um Wissenschaft, es dreht sich ja auch um wissenschaftliche Themata, welche Existenzfragen der anthropologischen Lebenswelt berühren. Mit dem Internet haben wir die umfassende Disponibilität der Themata erreicht. Daraus folgt, dass die Bibliothek, die große Bibliothek, die elektronische Bibliothek, die Bibliothek überhaupt, als Ideal des Parlamentarismus betrachtet werden kann. Jeder Mensch, der da auftritt, ist ein Thema! Er kann auch ein verschiedenes Thema sein, ein streitbares Thema sein - das ist Parlamentarismus! Wer das hört, also wer das alles „liest“, der soll dann entscheiden, was besser ist, soll wählen, was dem Wohle des Ganzen dient.
Aber wir machen davon keinen Gebrauch. Hier werden die Probleme entwickelt und deutlich gemacht, die aus der anthropologischen Lebenswelt entstehen und die dem Leser sagen: Verhalte dich entsprechend! Der Leser liest das, aber er versteht das nicht! Warum nicht? Weil es die Un-Kultur des Bildes gibt! Wir sehen nur auf das unmittelbar Anschauliche. Deswegen haben wir das Problem des Klimawandels. Es hängt in der Luft und es wird und es wird nichts getan. Wo es um die wichtigen Probleme geht, um die ernsthaften Probleme, haben wir keinen entsprechenden Leser. Also, der Leser denkt noch nicht kontextlich genug, obwohl er in einem mundanen Kontext lebt. Er trägt die Verantwortung für diesen Kontext. Aus diese Verantwortung heraus, muss er lesen, was ihm das elektronische Buch sagt. Aber das tut er nicht. Weil diese nationalen, engen, privaten Anschauungen eben diese Sicht versperren. Also, da ist der Leser immer noch nicht auf die Höhe der büchernen Menschheitsentwicklung. Leider nicht!
Wo muss man dann ansetzen?
Man muss dem Menschen zu Bewusstsein bringen, dass er selber eine Buchperson ist, dass er selber in einem Kontext lebt. Wie der Kontext aussieht, das hängt von ihn ab, denn sein Thema ist eingebunden in diesen Kontext, macht diesen Kontext, dieses Kontextsein. Dieses Sein ist Kontext. Das muss man dem Mensch immer wieder einhämmern. Aber leider ist es so, dass man bis heute nicht eingesehen hat, dass wir Buchpersonen in einem Theater sind. Jeder Mensch muss ein universales Bewusstsein haben, ein universales bibliologisches Bewusstsein haben. Wir müssen uns bewusst machen, dass wir selber in diesem mundanen Kontext ein Detail, eine Buchperson dieses Textes sind. Daher müssen wir entsprechend agieren. Wenn wir das nicht tun, dann ist dieser Kontext in Gefahr, katastrophal bedroht zu werden.
Welche Pädagogik braucht man dafür?
Man müsste einen bibliobiologischen Lehrgang in den Schulen einführen! (Lacht)
Es geht doch darum, ein Teil des Universalen zu sein. Das ist doch schon ein Ideal?
Ja, es gibt durch die bücherne Menschheitsdimension immer diese Möglichkeit, dass wir uns auf der Höhe dieser Bibliothek befinden, mit einem universalen Verständnis an die Themen herangehen. Aber obwohl die Bibliothek da ist, fehlt ihr der Leser.
Aber Menschen haben die Bibliothek doch trotzdem geschaffen. Anscheinend gibt es einen Trieb oder ähnliches. Es ist einiges passiert, aber es scheint in einer Disbalance zu sein?
Ja, ja es ist in einer Disbalance. So unerklärlich wie es ist, aber es ist leider so. Die Bibliothek ist da, aber der, der sie gebrauchen könnte, nicht.
Wenn alles Gottes Schöpfung ist, wozu hat er dann die Bibliothek geschaffen? Vielleicht wissen wir nicht, wozu sie geschaffen wurde?
Das klingt mir zu mystisch. Wir müssen wissen, was los ist. Nur aus dem Wissen kommt die Rettung. Im Augenblick sehen wir die Dinge nicht klar. Man kann den Leuten einiges noch klarer machen, in dem man ihnen „das bücherne Wesen der geschichtlichen Entwicklung“ verdeutlicht. Mehr kann man nicht machen. Also, das ist das, was ich zu bieten habe. Es ist wenig, aber es doch etwas. Ich lasse mir diese Idee nicht nehmen, das wir mehr Buchpersonen als Realpersonen sind. Ich hoffe, dass die „bücherne Dimension“ sich im Unbewussten durchsetzt.
5. Welchen Sinn hat das Bewusstsein angesichts des Todes, angesichts der Tatsache, dass der Tod das Bewusstsein immer wieder einholt?
In der „büchernen Dimension der Kulturwelt“ wurde der Tod immer wegerzählt. Man macht ein Thema aus dem Tod, das erzählt werden kann. Dann ist der Tod schon gebannt. Der Tod ist damit verabstandet. Das ist eine Erfahrung und wenn dann noch der Glaube hinzukommt, dann ist das schon fast eine Rettung. Narratologisch ist der Tod schon in den Mythen überwunden. Das sind schon potenzielle Bücher. Allerdings handelt es sich nicht um Gedrucktes, nur Gesprochenes. Aber aus dem archaischen Stadium, in dem nur gesprochen wurde, entstand dieser große Kontext des Buches. Nun kommt das Buch als Mittel der Verfügbarkeit des Noumenon.
Der Tod ist ja eine Vorstellung, eine grausige Vorstellung, ein Gedankending. Auf der archaischen Stufe der Kultur ist das Ewige im Menschen im Menschen selbst enthalten, wie sein Schatten. Es gibt eine Insel im Pazifik, wo die Leute in der Mittagszeit nicht hinausgehen, um ihre Schatten nicht zu verlieren. Das ist das ewige Double von uns und das hat ja auch mit dem Tod zu tun. Mit dem Double sind wir unsterblich und wenn wir es verloren haben, dann ist es aus. Dann bist du verloren.
Also wird der Tod weggeschoben, bei den Griechen in die Unbestimmtheit des Olymps verlegt. Das ist das, was das Buch nachher macht. Mit der judäischen Religion fängt das an, in der christlichen geht das weiter, der Islam hat den Koran und auch in den brahmanischen Religionen und im Buddhismus gibt es Texte. Der Text umschließt das Gedankending des Todes. Der Tod bleibt genauso furchtbar, ist genauso schrecklich wie in der Realwelt, aber da er nun in den Büchern steckt, kann man ihn mit den Büchern ein bischen weglegen und sich mit etwas anderem beschäftigen, sich mit dem beschäftigen, was für das Leben wichtig ist. Man kann die Bedingungen seines Lebens weiter perfektionieren, Technologie betreiben usw.
Mit dem Aufkommen der großen Religionen kommen auch die großen Bücher auf, die dieses unlösbare Problem schließen, aber nicht verlieren. Nein, es ist da, genau so schrecklich da, aber wir können Zeit für uns selber haben. Das hat die ganze Zivilisationsentwicklung hervorgebracht. Das ist auch eine Leistung der Bücher, der Entwicklung der büchernen Dimension. Also, damit lösen wir das Problem des Todes nicht. Er bleibt genauso schrecklich da wie vorher. Er bleibt zu ertragen, wie er es immer war. Das müssen wir hinnehmen, aber das Buch ist ein Abwehrmittel. Es hilft uns, Abstand zu wahren, zusammen mit der Ewigkeit, mit der Hoffnung. So ist das alles eingepackt in das Buch. Das ist die Hauptsache. So sehe ich das. Da ist auch der Unterschied zu Heidegger. Was er sagt, gilt nur für das heroische Dasein, aber der Mensch ist nicht heroisch! Im Grunde seines Wesens steht er mit dem Tod auf Kriegsfuß. Er will nichts davon wissen. Das sagt zwar auch Heidegger, aber seine Analysen stimmen nur für einen fanatischen Menschen, der vor nichts zurückschreckt.
Aber bei Ihnen spielt die Kultur eine größere Rolle?
Ja, ja, bei mir ist das ganz anders. Ich lege den Akzent auf die Verabstandung des Todes, so dass er in der büchernen Dimension keine Chance hat, zu einem maßgeblichen Faktor der anthropologischen Lebenswelt zu werden. Natürlich ehren wir den Tod. Wir haben Friedhöfe, etc., aber das findet alles unter dem Zeichen der Verabstandung statt.
Ihr Denken ist also unheroisch? Sie lehnen im Gegensatz zu Heidegger die Hypostasierung des Todes ab?
Unheroisch bedeutet hier nicht feige oder ängstlich. Es bedeutet ein entschiedenes Nein zum Tode!
Nun zu der letzten Frage:
Welches Spiel würden Sie gerne spielen?
-Das literarische Spiel, in dem ich die Buchperson von ihrem Thema befreie und sie in andere Themata versetzte und sie retten aus ihrem monotonen Dasein mit ein- und demselben Thema.
Frank Tremmel, 1963 geboren in Hamburg. Seit 1983 Tätigkeit in der Wohlfahrtspflege (AWO) und Studium der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Hamburg.
1999 Erwerb des Magisters Artium an der Universität Hamburg. 2002/3 Promotionsstipendium im Rahmen des Hamburgischen Gesetzes zur Förderung des wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchses (HmbNFG). Tätigkeit in der Marketingabteilung einer Hamburger Sozietät. 2007 Promotion zu Fragen der Philosophischen Anthropologie
Georgien
zwischen Ethnos und Weltgesellschaft
Ein kulturphilosophischer Essay
von Frank Tremmel
Für viel Leser ist Georgien vermutlich durch die jüngsten Ereignisse zur Chiffre für vielleicht nie wirklich beendete West-Ost-Gegensätzlichkeiten geworden. Oftmals handelt es sich dabei allerdings um eine Urteilsbildung frei nach Goethes „Faust“, wo es im „Osterspaziergang“ heißt: „Wenn hinten fern in der Türkei die Völker aufeinander schlagen.“ Dieses feuilletonistische Sedativ für das westeuropäische Surfboardbürgertum bewirkt aber kaum noch mehr als eine oberflächliche Beruhigung. Wir alle spüren zunehmend, dass sich unter der Oberfläche zivilisatorischer Selbstverständlichkeiten Problemlagen akkumulieren, die vielschichtige, begrifflich differenziertere Analyse erfordern. Nach den Kriegshandlungen im August 2008 schlug zunächst die Stunde der politischen Kommentatoren, der tatsächlichen und vermeintlichen Kaukasusexperten, der Geostrategen unterschiedlichster Couleur. Der Rauch über den brennenden georgischen Wäldern bei Borjomi in Zentralgeorgien und über den bombardierten Ortschaften in Schida Kartli ist mittlerweile verflogen, mehr Klarheit wurde dadurch nicht gewonnen. Immer noch ist hierzulande vorwiegend die Rede von Erdölpipelines, von amerikanischen und russischen Interessen, von neuen und alten Imperialismen. Vor laufenden Fernsehkameras hält jeder seinen Zipfel der Wahrheit fest umkrallt, schließlich steht der Marktwert der eigenen Expertise auf dem Spiel. Neben den vielen Richtigkeiten der sogenannten Realisten gibt es auch die vermeintlich großen Wahrheiten der halbgebildeten Überflieger. Kein Zweifel, die Krise in Georgien hat das Potential, spekulative Energien zu mobilisieren. Im eher feuilletonistischen Anschluss an Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Oswald Spengler sucht so mancher angesichts der kaukasischen Tragödie sein Glück in den Tiefen und Untiefen geschichtsphilosophischer Spekulationen. Schnell wird die vulgäre Empirie zum plakativen Beleg für die eigene Lieblingstheorie. Einige halten es mit Francis Fukuyama und sehen in der Kaukasuskrise nur Scharmützel auf dem Weg zur liberalen Weltgesellschaft, partikulare Übergangsprobleme bei der Etablierung einer universalen Moderne. Andere betrachten mit Samuel P. Huntington den Kaukasus als Friktionslinie in den tektonischen Verschiebungen der planetaren Kulturformationen. Tatsächlich bezog sich, wie Hegel bereits konstatierte, Georgien als typisch vorderasiatisches Land stets auf Europa. Nun erleben wir, dass sich offenbar ein geschichtlicher Zyklus schließt und Europa erneut auf die eigene Ausgangslage verwiesen wird. Es steht außer Frage, das gerade die Gestaltung des Verhältnisses Westeuropas zum vorderorientalischen Kulturraum, der neben der Kaukasusregion auch Anatolien, die Levante und Mesopotamien einschließt, zu den größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gehört. Die Probleme Georgiens und Israels, die sich in mancher Hinsicht ähneln, sind für die ganze Region von entscheidender Bedeutung. Nur wenn sie gelöst werden, hat Europa wirklich einen weltgeschichtlichen Durchbruch, d.h., einen „Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit“ erzielt. Dieser West-Ost-Begegnung vor dem Hintergrund von Globalisierung und kultureller Fragmentierung haben sich die Philosophie und die Kulturwissenschaften noch kaum gestellt.
In diesem Artikel geht es nicht um eine Geschichte des aktuellen georgisch-russischen Konfliktes und seiner völkerrechtlichen Bewertung, sondern um eine Phänomenologie der zugrundeliegenden Bewusstseinsformen. Dabei möchte der Autor an die Errungenschaften einer philosophisch-anthropologisch basierten Kulturwissenschaft anknüpfen, die sowohl in Georgien als auch in Deutschland auf erhebliche Traditionen zurückblicken darf. In einer ersten Annäherung kann thesenhaft bereits vorweggenommen werden, dass offenbar Menschen, die ihr soziales Dasein in erster Linie als globale „societas civilis“ wahrnehmen, kaum noch in der Lage sind, das bewusstseinsgeschichtlich Voraussetzungsreiche dieser Lage zu begreifen. Daher werden in Westeuropa nicht nur ahistorische Maßstäbe an politische Akteure angelegt, die unter Bedingungen agieren müssen, die weniger komfortabel sind - es wird auch kaum noch verstanden, dass Lokalkultur und Weltgesellschaft nicht nur Stufen einer evolutionären Sequenz darstellen, sondern phänomenologisch gesehen, gleichursprünglich sind. Daher stößt die politische Subjektwerdung von Ethnien, die zudem unter der ständigen Bedrohung durch eine imperiale Großmacht stattfindet, auf ein eigentümliches Unbehagen der westeuropäischen liberalen Meinungsträger, die sich an die Kosten im Verlauf der eigenen Nationwerdung nicht mehr gerne erinnern lassen. Die in unseren Breitengraden opportune Demission des Heroischen hat ihre legitimen historischen Gründe, sie darf uns aber nicht dazu verleiten, die komplexe und polyphone Geschichte zivilisatorischer Fortschritte und kultureller Differenzierungen außer Acht zu lassen. In dieser Geschichte verbindet sich das monistische Prinzip der Welteinheit mit dem Differenzierenden, Besonderen und Einzigartigen, das den Pluralismus der Kulturen kennzeichnet. Die Georgier haben aufgrund ihrer schmerzlichen Geschichte diesbezüglich ein philosophisches Problembewusstsein entwickelt, dass sich nicht zuletzt auf deutsche Quellen stützt. Es ist an der Zeit, dass wir uns dieser Grundlagen erneut versichern.
In der Zeit der Sowjetunion schufen in Georgien Denker wie Niko Tschawtschawadse, Surab Kakabadse und Tamas Buatschidze einen Raum des freien Denkens, der die fehlende demokratische Öffentlichkeit zumindest ansatzweise kompensieren konnte. Sie realisierten eine Anthropologie des schöpferischen Menschen und verteidigten im Anschluss an die deutsche Tradition der Philosophie und Geisteswissenschaften das Volk, d.h. die individuelle Kultur (Nation) als Aktualbegriff der Geistesfreiheit. Damit setzten sie eine Tradition fort, die hierzulande in den Sechzigerjahren durch eine utopische Gesellschaftstheorie abgebrochen wurde. So legitim es zweifellos ist, den Menschen auch als gesellschaftliches Wesen zu verstehen, so zeigt doch gerade der gegenwärtige Konflikt, dass die Unfähigkeit, den komplexen Zusammenhang von Kultur, Nation und Weltgesellschaft zu denken, Teil der gegenwärtigen internationalen Krise, nicht nur im Kaukasus ist. Die zentralen Aufgaben des politischen Denkens bewegen sich im Spannungsfeld von Ethnos und Weltgesellschaft. Weder lässt sich das eine in das andere auflösen, noch gibt es jemals eine widerspruchlose Harmonie zwischen diesen Polen. Die Schaffung von ethisch verantwortbaren Lebensformen ist nur innerhalb dieser Polarität denkbar. Insofern ist der im gegenwärtigen westlichen Denken zu beobachtende Versuch, sich von den Aufgaben der Nation zu suspendieren verantwortungslos. Auch der Rückgriff auf etwas Citoyenpathos in Gestalt der Zivilgesellschaft ist kein Blankoscheck, auf den wir uns jede beliebige Summe auszahlen lassen können. Selbstverständlich muss auf die Freiheitsgestalt der Nation, d.h. auf ihre demokratische Verfassung insistiert werden und zweifellos enthält auch die Übertragung von Souveränitätsrechten auf regionale Zusammenschlüsse Keime des Zukünftigen - die heute übliche Amalgamisierung von Freihandelszone und Multikulturalismus als Lösung anstehender Probleme ist jedoch ein Irrweg. Ökonomische Interessen bezüglich russischer Rohstoffe, Angst vor deutlicher Selbstbehauptung und eine extreme Unkenntnis eigener geistiger Traditionen des politischen Denkens, lassen uns zu geistig wehrlosen Beobachtern der gegenwärtigen kaukasischen Tragödie werden. Georgien, dass mit einer - im einzelnen durchaus zu kritisierenden - militärisch sekundierten Polizeiaktion versucht hat, das abtrünnige Südossetien wieder unter die Oberhoheit des staatlichen Gesamtverbandes zu bringen, wird auf sehr problematische Weise als Aggressor dargestellt, während dem russischen Imperium geradezu die Legitimität einer vermeintlich humanitären Rettungsaktion bescheinigt wird. Unabhängig davon, dass dabei die schlichte Genealogie der Ereignisse verfälscht und der völkerrechtlich verbürgte Anspruch Georgiens auf Südossetien marginalisiert wird, offenbart sich in der in der hiesigen Presse häufig anzutreffenden Sicht auf den Konflikt eine forma mentis, die den bereits beschriebenen Schemata folgt. Es wird förmlich suggeriert, dass es sich um einen symmetrischen Konflikt in einer herrschaftsfreien Weltgesellschaft handle, in der diverse Volksgruppen nicht mehr zusammenleben wollen, ein autoritärer Staat diese doch ansonsten nicht verwerfliche Divergenz mit Zwangsmitteln unterdrückt, eine Großmacht als scheinbar neutraler Schiedsrichter auftritt und dabei die Interessen der angeblich unterdrückten Minderheiten vertritt. Es wird höchstens die Verhältnismäßigkeit der Mittel bestritten und dann gleichsam verschämt als Fußnote angemerkt, dass davon die Souveränitätsrechte der drangsalierten Nation nicht betroffen seien. Der historische Fortschritt im Sinne der Freiheit, den jede demokratisch verfasste Nation gegenüber einer Ethnie, einem Imperium, aber auch einer globalen Wirtschaftsgesellschaft darstellt, wird nicht mehr thematisiert. Ja, die begriffliche Differenzierung und die aus ihr entstehenden praktisch-politischen Verpflichtungen existieren im allgemeinen Bewusstsein kaum noch. Es geht nicht darum, Fukuyamas Apologetik des liberalen Endzustandes dieser Welt nun einfach durch Huntingtons Kulturkampszenario zu ersetzen, sondern darum, deutlich zu erkennen, dass die Krise des europäischen Machtstaates im 19. Jahrhundert uns allzu voreilig dazu veranlasst hat, uns in ein posthistorisches Utopia zu verabschieden, das noch nicht einmal in der virtuellen Welt des Internets eine echte Basis hat. Die gegenwärtigen Kulturwissenschaften haben offenbar erhebliche Schwierigkeiten, das komplexe Verhältnis von Lokalkultur und universalem Zivilisationsprozess angemessen zu konzeptionalisieren und in seiner politischen Dimension zu erfassen. Selbst wenn wir der Annahme folgen, dass die Nation der Aufgabe, „der totalen Entortung eines in der Noosphäre sich entfaltenden raumlosen Universalismus“ Einhalt zu gebieten, nicht gewachsen ist und nicht mehr imstande ist, den „Zusammenhang von Ordnung und Ortung“ zu stiften, bleibt die Frage unbeantwortet, welche politische und organisatorische Einheit nicht nur den „Erfordernissen einer globalen Rationalität“ entspricht, sondern auch „ihre Wurzeln in die Tiefenschichten von Menschheit und Erde“ versenken kann. Diese Bewusstwerdung und Anerkennung eines qualitativen Moments bleibt unabweisliche Notwendigkeit, wenn sich in Georgien und der Kaukasusregion eine sowohl stabile als auch auf Entwicklung basierende Friedensordnung etablieren soll.
In den modernen Kulturwissenschaften werden unterschiedliche Angaben darüber gemacht, ob die kulturelle Identität Georgiens eher über die Zugehörigkeit zum balkanisch-kaukasischen Typ der mediterranen Kultur, als interkulturelle Grenzregion, als Teil einer eurasischen Kultur oder als Teil der westlichen, d.h. europäischen Kultur definiert bzw. betrachtet werden sollte. Gerade dadurch, dass der Kaukasusraum eine vermittelnde Region zwischen der östlichen und westlichen Kultur war, hat sich keine feste und distinkte kulturelle Identität herausgebildet. Daraus kann aber nicht auf das Fehlen eines gemeinsamen kulturellen Bewusstseins geschlossen werden. Die noch nicht erstarrten Formen enthalten vielmehr Entwicklungsmöglichkeiten, wie sie Westeuropa kaum noch kennt. Trotz oder gerade wegen dieser eigentümlichen Mittellage gelang es den Georgiern bisher immer wieder, ihrem Leben eine Form zu geben. Das Phänomen „Georgien“ entzieht sich aber offenbar allzu unvermittelten Zugriffen. Unter Umständen handelt es sich dabei aber nicht um ein Problem des Gegenstandes, sondern um eines der Methode. Auf die „Verwandlung der Welt in jenes allgegenwärtige Flickwerk“, wie es uns nach dem Fall der Berliner Mauer hinterlassen wurde, reagierten die Kulturwissenschaften zunächst mit empiristischer Bescheidenheit. Die „Zerschmetterung größerer Zusammenhänge“ schien auch theoretisch ihre Spuren zu hinterlassen. Der nordamerikanische Kulturanthropologe Clifford Geertz ging davon aus, dass das Begreifen des „Allgemeinen“ und die Entdeckung neuer „Einheiten“ nur „über den Umweg von Beispielen, Unterschieden, Variationen und Besonderheiten“ möglich sei. „Die Splitter sind es, an die wir uns in einer zersplitterten Welt halten müssen.“ Aber auch dieser spröde angelsächsische Fallibilismus blieb nur ein Etappenziel. Eine Reihe von Geertzschülern ging mittlerweile zur postmodernen Kritik am Erfahrungsbegriff schlechthin über. Geertz bestand immerhin noch auf der formalen Vergleichbarkeit kultureller Ausdrucksformen. Seine Schüler, Vincent Crapanzano und Paul Rabinow, problematisieren dagegen bereits die noch vorausgesetzte Repräsentationsfähigkeit dieser Formen. Insofern wurde im Zuge poststrukturalistischer und postmoderner Bestrebungen der hermeneutische Ansatz von Geertz radikalisiert und letztlich verabschiedet. Es wird zunehmend bezweifelt, dass Sprache eine fremde Kultur überhaupt repräsentieren könne. Das Verhältnis von Fiktion, Rhetorik und Realität, das in den Literaturwissenschaften schon seit längerem eine große Rolle spielte, tritt zunehmend in den Vordergrund. In der poststrukturalistischen Anthropologie werden durch diese Annäherung an die dekonstruktivistische Kritik Begriffe wie Essenz, Identität, Realität und Geschichte zunehmend fragwürdig. Der Erfahrungsbegriff spielt nur noch ex negativo eine Rolle. Der Unübersichtlichkeit auf dem „Berg der Sprachen“, wie schon im 10. Jahrhundert der arabische Geograph Al-Mas'udi den Kaukasus nannte, entspricht offenbar die Dekomposition einer auf Allgemeinheit hin angelegten Erkenntnistheorie in den Köpfen westlicher Intellektueller. Insofern befinden wir uns auch kulturwissenschaftlich heute in der Lage der Römer, von denen bereits Plinius berichtete, dass sie in Dioskurias (heute Sochumi) 130 Dolmetscher benötigten, um sich zurechtzufinden. So wird der Kaukasus im allgemeinen und Georgien im besonderen zum paradigmatischen Beispiel für die Krise des Erfahrungsbegriffes in den Geisteswissenschaften schlechthin. Der „Menschheitswissenschaft“ ist offenbar ihr Gegenstand abhanden gekommen und Georgien wird dabei gleichsam zur Probe aufs Exempel. Es scheint so, als ob erst durch ein Denken, das imstande ist, die Idee in der Wirklichkeit aufzusuchen, die Gestalt Georgiens überhaupt wieder sichtbar werden kann. Weder durch die allein empirisch verfahrenden Wissenschaften, noch durch metaphysische bzw. geschichtsphilosophische Spekulationen wird das Antlitz der kaukasischen Völker enthüllt.
In den 1920er Jahren entstand in Deutschland eine Wissensform, deren Aufgabe auf eine Formel gebracht werden kann, die bereits der Renaissance-Denker Pierre Charron (1541-1603), ein Freund Montaignes, in Umlauf brachte und die dann, von Alexander Pope aufgegriffen, an Goethe, Novalis und die Historische Schule weitergereicht wurde: Dass der eigentliche Studiengegenstand der Menschheit der Mensch bleibe, weil er sich selbst das wunderbarste und größte Geheimnis sei. Es war insbesondere der Philosoph Max Scheler (1874-1928), der im Anschluss an Wilhelm Dilthey und Edmund Husserl Anstrengungen unternahm, um die Neubegründung dieser spezifisch mitteleuropäische Form einer `Menschheitswissenschaft´ voranzutreiben. In seiner Nachfolge bemühten sich insbesondere Erich Rothacker, Helmuth Plessner, Arnold Gehlen, Ernst Cassirer, Hans Freyer und Michael Landmann aufzuzeigen, wie menschliches Verhalten aufgrund seines Darstellungscharakters in Haltung übergeht, die damit eine individualisierende Funktion erfüllt. Verhaltensweisen kommt ihr Repräsentationscharakter nicht durch die ihnen ebenfalls eigene Selbsterhaltungsfunktion zu, sondern durch die Freisetzung von Subjektivität. Der Weg vom Bildentwurf, von der Anschauung zur Kultur gibt insbesondere Erich Rothackers (1888-1965) Ansatz im Kontext der Philosophischen Anthropologie, wie sie sich im deutschen Sprachraum seit den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts entwickelt hatte, ihr spezifisches Gepräge. Seine `Menschheitswissenschaft´ wurzelt im anschaulichen Erleben, das sich von den imagomotorischen Fähigkeiten bis zu den anschaulichen Sprachleistungen aufstuft. Mit der Anschauung hatte Rothacker den Grundfaktor der Weltbildung und damit auch der Kultur herausgearbeitet. Durch diese auf Herder und Baumgarten zurückgehende Aufwertung der „Aisthesis“ , vermag Rothackers Kulturanthropologie im Anschluss an das Anschauungsbedürfnis des Gemeinsinnes die Spezifik menschlicher Phänomene zu entschlüsseln. Rothackers Verknüpfung von Anschauung und situationsangemessener Handlung verweist auf die Komplexität menschlicher Lebenssituationen und damit auf die philosophische Frage nach dem Zusammenhang der Aspekte des menschlichen Lebens. Seine Anthropologie bewegt sich im Spannungsfeld von psychologisch-anthropologischer und kulturhistorischer Forschung, um den Ermöglichungsgrund für die geschichtliche Pluralität der Kulturen aufzudecken.
Rothacker hat mit seiner Kulturanthropologie letztlich einen Versuch vorgelegt, den Gesamtaufbau von Kulturen aus dem Ineinandergreifen von Sinnlichkeit und Sittlichkeit zu begreifen. Das vorantreibende Moment dieses Zusammenhangs ist die menschliche Phantasie, die in Verbindung mit dem werktätigen Handeln, die ästhetische, d.h. formierende Qualität kultureller Prozesse begründet. Eben diese normativen Lebensformen zwischen Sinnlichkeit und Sittlichkeit, zwischen Endlichkeit und Unendlichkeit, zwischen Tradition und Utopie stehen im Mittelpunkt der kulturanthropologischen Reflexion über soziale und politische Lebensformen. Die „exzentrische Positionalität des Menschen“ (Helmuth Plessner) verdeutlicht das Soziomoralische nämlich auch als anthropologisches Grenzphänomen: Der Mensch ist topisches und u-topisches Wesen zugleich. D.h., auch wenn wir die Primordialität des Lokalkulturellen als „interpretatio mundi“ voraussetzen, hat die „artifizielle Gesellschaft“ doch als Projekt, das zunächst aus kontingenten Möglichkeiten entstand, zunehmend den Status einer Wirklichkeit sui generis erlangt. Hierin offenbart sich eine gewisse anthropologische Grundtendenz, die in der Medialität des Menschen wurzelt. Der Mensch begegnet sich immer nur indirekt. Er ist auf Vermittlung hin angelegt. Es ist das Fremdwerden des Eigenen, die ständige Überschreitung der topischen Vertrautheit, d. h. unsere projektive Vernunft, die letztlich die Weltgesellschaft hervorbringt. Sie ist im Sinne des deutschen Soziologen Ferdinand Tönnies (1855-1936) gewollter, d.h. „kürwilliger“ Sozialzusammenhang, der immer wieder neue „wesenswillig“ erzeugte Kulturotope aus sich hervortreibt. Interessant wäre die Frage, ob sich diese Kulturen danach differenzieren ließen, wie viel Weltgesellschaft sie jeweils in sich aufzunehmen imstande sind. Ein konkreterer Universalismus muß immer auch ein universellerer Partikularismus sein. Aus dieser `Dialektik´ kommen wir nicht heraus. Vielmehr gilt es, die diversen partikularen Formen des Weltgesellschaftlichen herauszupräperieren und auf ihre Fruchtbarkeit hin zu untersuchen. Der agonale Zusammenhang Ethnos und universeller Ethik wird immer wieder in konkreten historischen Lebens- oder Ethosformen bildhaft, d.h. anschaulich vermittelt.
Nun gehört es zweifellos zu den faszinierendsten Koinzidenzen der Wissenschaftsgeschichte, dass just in dem Augenblick, in dem in Deutschland die Kulturanthropologie im Zuge der Studentenrevolte der kritischen Gesellschaftstheorie weichen musste, in Georgien eben diese Tradition eine spezifische Weiterentwicklung erfuhr. In den Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts konnte unter den etwas gelockerten ideologischen Bedingungen nach der Stalinzeit die erste und einzige Abteilung für „Philosophische Anthropologie“ im gesamten osteuropäischen Raum in Tbilissi am Philosophischen Institut der Akademie der Wissenschaften gegründet werden. Angia Botschorischwili (1902-1982), und seine Mitarbeiter schufen unter ständiger Bezugnahme auf die deutsche „Philosophische Anthropologie“ eine sehr eigenständige Variante dieser Denkrichtung. Botschorischwili hat im Anschluss an die Arbeiten seines Lehrers, Dimitri Uznadzes , die „Einstellung“ als eine spezifische Sphäre der Wirklichkeit entdeckt. Dieser intermediäre Bereich, der eine Bereitschaft zur Tätigkeit charakterisiert, in der Subjekt und Objekt eine integrale Einheit bilden, verbindet die physischen und die psychischen Momente der Wirklichkeit. Unter Einbeziehung phänomenologischer Methoden versuchte Botschorischwili, den Empirismus bei der Erforschung des Menschen zu überwinden. Dabei ging bei der Begriffsbildung vom Gegenstand aus. Insofern ist die philosophische Anthropologie eine philosophische Disziplin, genauer gesagt, sie ist “angewandte Philosophie”. Damit ist gemeint, dass die Philosophie Wesensbestimmungen vornimmt, die Philosophische Anthropologe insofern das Wesen des Menschen erforscht. Aber mit dem Wesen ist nicht immer der gleiche Gegenstand gemeint, so dass die philosophische Anthropologie sich selbst um die Bestimmung des Begriffs bemühen muss. Nach Uznadze und Botschorischwili ist das psychische Leben des Menschen nicht nur durch einfache Bedürfnisimpulse mit der Außenwelt verbunden. Die Orientierung des Tieres in seiner Umwelt erfolgt durch die unmittelbare Führung der Einstellung. Die menschliche Psyche verfügt über eine zweite, kompliziertere Schicht, die über den unmittelbaren Impuls der Einstellung hinausgeht und ihn zu einer Objektivierung seiner Handlungssituation befähigt. Die Parallelelen zum zentralen Begriff der „Haltung“ bei Rothacker sind offensichtlich.
An der Gründung der Abteilung für Philosophische Anthropologie waren auch der Direktor des Institutes, Niko Tschawtschawadse (1923-1997) und sein Stellvertreter, Tamas Buatschidse (1930-2001) maßgeblich beteiligt. So wurden in diesen Jahren im Institut allein neun Bände zu “Fragen der Philosophischen Anthropologie” herausgegeben. Hinzu kamen viele Artikel und Monographien. Im Mittelpunkt steht vor allem das schöpferische, sinn- und werthafte Handeln des Menschen als einem geistigen Wesen. Hier zeichnet sich die Fortsetzung einer Tendenz ab, die der Philosoph Fritz Joachim von Rintelen bereits Ende der Sechzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts für die deutsche Philosophie konstatiert hat. Er bezeichnet sie als eine „Philosophie des lebendigen Geistes“, welche die Einseitigkeiten der neukantianischen Wertphilosophie, der Lebensphilosophie, der Phänomenologie und des Existentialismus durch Synthesen zu überwinden versucht. Es gehörte zu den zentralen Ideen Niko Tschawtschwadses, die Kultur nicht nur über ihre Objektivationen, sondern vor allem über den kreativen Prozess ihrer Hervorbringung zu definieren. Tamas Buatschidze hat immer wieder hervorgehoben, dass es gerade die geistige Aktivität ist, die den Menschen von anderen Lebewesen unterscheidet. Das Problem der Bestimmung des Menschen kann weder durch eine Ontologie des platonischen Typs, die sich durch eine Hypostasierung der extramundanen Ideenwelt auszeichnet, noch durch eine Rückführung des menschlichen Lebens auf naturhaft-sinnliche Bedingungen gelöst werden. Im Anschluss an die Lebensphilosophie Rudolf Euckens (1846-1926) betrachtet Buatschidze das Geistige als eine Form der Objektivität, die durch kognitive, ästhetische und ethische Handlungen hervorgebracht wird, welche die unmittelbaren vitalen, utilitaristischen Bedürfnisse des Individuums überschreiten. Es ist vor allem der schöpferische Aufbau der Kultur, der den Menschen zu einem echten Subjekt macht. Der Sprachwissenschaftler und Humboldtforscher Guram Ramischwili hat darauf aufbauend eine umfassende Sprachanthropologie begründet. Ramischwili hat gerade aus den Subjektqualitäten, die den Menschen charakterisieren, die Pluralität der „Möglichkeiten, [...]seine schöpferischen Fähigkeiten voll zu entfalten“, abgeleitet. „Damit läßt sich die Verschiedenheit der Sprachen und der Kulturen überhaupt erklären.“ Ramischwili, der den Menschen mit Ernst Cassirer als „animal symbolicum“ bezeichnet, sieht vor allem in der Sprache den wesentlichen Faktor, der die „kulturelle Differenzierung der Menschheit“ vorangetrieben hat. Er unterschied sehr deutlich die mit einer urbanistisch-industriellen Lebensweise verbundene Universalisierung der Intelligenz und der kommunikativen Funktionen von der Ausdrucksdimension der Sprache, die überhaupt erst Geschichte und Tradition begründet. Sprache und Kultur sind also der Staatlichkeit vorgeordnet. Die Nation ist bei dem Humboldtianer Ramischwili eine vermittelnde Kategorie zwischen Individuum und Menschheit, in der Volk, Sprache und Menschheit in wechselseitiger Bezogenheit auftreten. Die nationale Kultur ist insofern die Brücke zwischen Ethnos und universaler Zivilisation. Sie läßt sich nicht auf sinnlich-vitale oder utilitaristische Momente reduzieren. Ramischwili schließt sich in diesem Zusammenhang ausdrücklich der deutschen Unterscheidung von Kultur und Zivilisation an. Dabei handelt es sich keineswegs nur um eine deutsche Unart oder Marotte. Mittlerweile hat diese Unterscheidung selbst in Frankreich, dem Land, in dem Kultur mit „civilisation“ nahezu identisch gesetzt wurde, vermutlich durch den Einfluss des Husserlschülers Gaston Berger (1896-1960) Einzug gehalten. Diese Differenzierung ist zu einer der kategorialen Grundvoraussetzungen des Daseins- und Weltverständnisses in der globalen Ära geworden.“ Die Kultur ist in gewisser Weise ein Ausdruck der Natur im Menschen. Sie ist das Medium, in dem Inneres seinen geistigen Ausdruck findet. In Fortführung von Gedanken Nikolos Barataschwilis, Ilja Tschawtschawadses, Goethes und Humboldts erfährt hier der georgische Gedanke der Nation und der Kultur seine philosophische und geisteswissenschaftliche Grundlegung.
Unter diesen Gesichtspunkten geht es in dem gegenwärtigen Konflikt nicht in erster Linie um ein scheinbar undurchschaubares Durcheinander ethnischer Rivalitäten, sondern darum, dass Ethnien in einem reflexiv-institutionellen Prozess auf dem Weg einer nationalen und vielleicht auch regionalen Rekonstitution sind. Es ist keine Alternative, den Georgiern den Absprung aus dieser konfliktreichen Situation in einen multiethnischen Globalismus anzuempfehlen. Diese scheinbare Option ist schon für unsere Verhältnisse mehr als zweifelhaft, für die Georgier wäre sie tödlich. Georgien ist zweifellos eine Nation auf multiethnischer Grundlage, ein Tatsachbestand, der sich allerdings wohl für die meisten europäischen Nationen konstatieren lässt. Die mittlerweile ereichte vergleichsweise hohe Integration und Homogenisierung unserer ethnogenetischen Ausgangslage lässt uns dies allzu oft vergessen. Nur wenn sich, wie in Spanien, Frankreich oder Italien, regionalistische Bestrebungen über das Folkloristische hinaus artikulieren, wird uns dies in Erinnerung gerufen. D.h. Ethnien sind keine ahistorischen Urphänome, die völlig unverändert in eine Art Kulturschutzpark „Weltgesellschaft“ aufgenommen werden. Tatsächlich müssen immer wieder neue historische Synthesen aus universeller Zivilisationsentwicklung und der lokalen Sprache des Lebens gefunden werden. Sowohl die Nationwerdung Georgiens als auch die Formierung einer übernationaler Kaukasusregion war und ist in erster Linie ein kultureller Prozess der Bildung und Bewusstwerdung, der aber der aber der aktiven Unterstützung bedarf.
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