Foto: Lile e. V. Archiv 08.02.09
Von Marika Lapauri-Burk und Dr. Frank Tremmel
Von Marika Lapauri-Burk und Dr. Frank Tremmel
Am 22. April 2012 fand im Museum für Völkerkunde Hamburg ein sogenannter „Abchasien-Tag“ statt, der auf der Website des Museums als Fortsetzung des 2009 (dort fälschlich 2008) stattgefundenen 1. Kaukasustages angekündigt wurde. Diese Genealogie deutet bereits die ganze Problematik der Veranstaltung unter der Ägide von Herrn Professor Köpke und in Zusammenarbeit mit dem „Abchasischen Kulturzentrums in Deutschland“ und der Initiativgruppe der abchasisch-abasinischen Diaspora “Pro Abkhazia” an. Anstelle eines 2. Kaukasustages wurde eine sterile Propagandaveranstaltung für einen separatistischen abchasischen Staat inszeniert, der mit einer halbwegs ausgewogenen und komplexen Darstellung der Kaukasusregion in der Tat nichts mehr zu tun hatte. Die Richtung ist offenbar vorgegeben. Herr Professor Köpke betrachtet diesen Tag – wie er verlautbarte – als Zwischenschritt zu einer größeren Veranstaltung über den Nordkaukasus im Jahre 2014, dem Jahr der in Sotschi geplanten Winterolympiade. Abchasien wird auf diese Weise im sowohl topographischen als auch topologischen Sinne sukzessive aus dem georgischen Kontext gelöst und in einen Raum verlegt, dessen geopolitische Hegemonialmacht hier nicht ausdrücklich genannt zu werden braucht. Die warmherzige Begrüßung des russischen Konsuls als Ehrengast und die anwesenden Vertreter russischer Forschungsreinrichtungen auf der Veranstaltung vor vierzehn Tagen verdeutlichen den eingeschlagenen Weg.
Da die Autoren sehr genaue Einblicke in die Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung im Jahre 2009 nehmen konnten, war diese Entwicklung für uns nicht überraschend. Bereits vor vier Jahren deutete sich diese Linie, auf der Herr Professor Köpke sich als Direktor des Museums seither kontinuierlich bewegt, an. Es war genau diese einseitige Tendenz, die uns damals bewog, uns aus der Organisation der Veranstaltung zurückzuziehen. Der aktuelle Abchasien-Tag, der keinerlei mediale Resonanz in Deutschland fand und auch im Vorfeld vom Völkerkundemuseum als Mitveranstalter nur sehr sparsam publik gemacht wurde, wurde ganz offensichtlich nicht zur Information der deutschen Öffentlichkeit durchgeführt. Die Veranstaltung, die überwiegend von der eingereisten abchasischen Delegation inklusive der begleitenden Journalisten und dem abchasischen Fernsehen, der hiesigen Diaspora und einer kaum nennenswerten Zahl deutscher Gäste besucht wurde, diente vor allem den internen Legitimationsbedürfnissen des zurzeit in Abchasien herrschenden Regimes. Ein Vertreter der anwesenden abchasischen Delegation betonte die Wichtigkeit der Veranstaltung für ganz Abchasien, über die dort in allen Medien berichtet werde. Professor Köpke wurde diesem Zusammenhang überschwänglich als großer Gelehrter gefeiert. Von Seiten des Museums für Völkerkunde wurden insofern Erwartungen geweckt, von denen Herr Professor Köpke genau wissen muss, dass sie nicht eingelöst werden können. Das ist nicht nur wissenschaftspolitisch, sondern auch im Sinne der außenpolitischen Interessen unseres Landes geradezu fahrlässig. Es dient auch keineswegs den wohlverstandenen Interessen der Abchasen.
Bereits in seiner Begrüßungsansprache betonte der Direktor des Museums allerdings mit nicht geringer Süffisanz, dass die Beschwerde des georgischen Botschafters über den Charakter der geplanten Veranstaltung beim Außenministerium der Bundesrepublik als PR Erfolg gewertet werden könne. Die legitimen Bedenken der Georgier wurden als Einmischung in die Autonomie seines Museums abgetan. Die leitbildartig formulierten Grundsätze seines Hauses, in denen postuliert wird, dass das Museum „ein Forum für den partnerschaftlichen Austausch zwischen Menschen aller Kulturen“ bieten will, werden von Herrn Professor Köpke offenbar sehr frei ausgelegt. Er selbst entscheidet, wer zu einer Kultur gehört und wer dementsprechend als Partner anzusehen ist. So wie er bereits 2009 „Abchasien, Ossetien und Georgien“ als nominell gleichrangige Nationen „eingeladen“ hatte und damit die nicht vorhandene völkerrechtlich relevante Anerkennung der beiden erstgenannten ethnischen Gruppen in den Wind schlug, so mochte er offenbar damals wie heute auch keine Vertreter der heute immer noch in Georgien lebenden 250 000 Flüchtlinge aus Abchasien einladen. Die in Hamburg ansässige Deutsch-Kaukasische Gesellschaft Lile e.V. wurde über die Veranstaltung nicht einmal informiert. Stattdessen war diesmal der „Außenminister“ des abchasischen Regimes anwesend. Es würde uns übrigens sehr interessieren, wie diese Funktionäre ohne in der Bundesrepublik gültige Pässe einreisen konnten. Bereits 2009 war Herr Professor Köpke kaum davon abzubringen, offizielle Vertreter der separatistischen Regime in Abchasien und Schida Kartli einzuladen. Selbst ein Krimineller wie Eduard Kokoity, dem von allen Kennern der Region Verbindungen zum Organisierten Verbrechen nachgesagt werden, wäre durch Herrn Professor Köpke fast Eingang in das ehrwürdige, seit 1879 bestehende Museum an der Rothenbaumchaussee verschafft worden. Erneut wurden auch 2012 mit der Türkei eng verbundene sogenannte Vertreter der Tscherkessen hinzu geladen. Wir hatten Herrn Professor Köpke bereits 2009 auf die Problematik dieser Politik hingewiesen. Es ist für Experten offenkundig, dass die Türkei als regionale Großmacht im Kaukasus eigene Interessen verfolgt, die von der Regierung in Ankara nahestehenden Verbänden und Bildungseinrichtungen sehr massiv propagandistisch vorangetrieben werden. Die türkische Kaukasuspolitik ist seit dem 1. Weltkrieg – gerade deutschen Wissenschaftlern und Politikern sollte das bekannt sein – nicht unbedingt rühmlich zu nennen. Diesen Interessen wird durch die Veranstaltungspolitik von Herrn Professor Köpke eilfertig ein gerne genutztes Forum geboten.
Am Ende des damaligen Kaukasustages, den Professor Köpke noch 2012 als großen Erfolg wertete, fand mitten in Hamburg im Konsulatsviertel auf den Stufen des Museums für Völkerkunde eine Demonstration statt, auf der die auf der Veranstaltung anwesenden Abchasen und Osseten vorbereitete Transparente und ihre Fahnen entfalteten. Herrn Professor Köpke fiel nichts Besseres ein, als daran teilzunehmen und somit als Gastgeber sehr einseitig Stellung zu beziehen. Wir bekamen dagegen zum Abschluss des Tages einen Artikel des schottischen Journalisten Neal Ascherson in die Hand gedrückt, in dem dieser die Abspaltung Abchasiens von Georgien gutheißt und eine Anerkennung dieser Region als Staat anrät. Frau Lapauri-Burk, die mehrfach in Vorbereitung der Veranstaltung auf Einseitigkeiten und Fehlentwicklungen hingewiesen hatte und bestimmte Mindeststandards einer ausgewogenen Darstellung angemahnt hatte, wurde 2008 hindurch penetrant der Parteilichkeit für Georgien bezichtigt und gemaßregelt. Herr Professor Köpke hatte sich in einem Schreiben an Herrn Dr. Tremmel vom 10. März 2009 allerdings noch dahingehend geäußert, dass er sich nicht sicher sei, ob die vermeintlich spontane Teilnahme an der Demonstration richtig gewesen sei und welchen Weg er für Abchasien begrüßen würde. Dieser vermeintlichen Unsicherheit widersprach hinter den Kulissen eine erhebliche Zielstrebigkeit in der Verfolgung bestimmter Interessen. Von dieser Ambivalenz – wenn sie denn in Wahrheit jemals bestand – ist 2012 allerdings nichts mehr zu spüren. Es ist nicht nur so, dass Herr Professor Köpke sein Museum zum Forum einer Politik macht, die dem Standpunkt der Bundesrepublik Deutschland, die keine Anerkennung Abchasiens als Staat vorsieht, widerspricht, er hat offenbar auch kein ernstzunehmendes Interesse daran, georgische Wissenschaftler, Künstler und offizielle Vertreter Georgiens in seinen sehr eigenwillig konzipierten „Dialog der Kulturen“ einzubeziehen. Das bedauern wir. Wir hatten ihm bereits nach der Veranstaltung 2009 angeraten, sich in Georgien selbst ein Bild von der Lage (insbesondere der Flüchtlinge) zu machen. Er ist inzwischen tatsächlich nach Georgien gereist – in die abtrünnige Region Abchasien!
Es ist leider offenbar so, dass sich Hamburg mit dem Völkerrechtler Professor Luchterhandt und dem Völkerkundler Professor Köpke im Kultur- und Bildungsbereich zu einer regelrechten Hochburg der antigeorgischen Politik der Anerkennung von separatistischen Mikronationalismen entwickelt hat. Wir finden es als Bürger dieser Stadt, die durch persönliche und kulturelle Beziehungen eng mit Georgien verbunden sind, mehr als problematisch, dass aus staatlichen Universitäten und einer Stiftung des öffentlichen Rechts heraus in derartig einseitiger Weise öffentlich unwidersprochen Stellung genommen wird. Damit wird unter dem Denkmantel der Wissenschaftsfreiheit auch dem Ruf des Wissenschaftsstandorts Hamburg kein guter Dienst erwiesen. Wir haben unsere Kritik bislang sehr zurückhaltend formuliert und immer wieder in privaten Briefwechseln mit den Beteiligten versucht, Schaden abzuwenden. Wir werden allerdings angesichts der Veranstaltung am 22. April diese bisherige Praxis überdenken. Wir erwarten, dass die Stadt Hamburg angesichts dieser bisherigen Entwicklung deutliche Signale für eine anspruchsvollere und komplexere Wissenschafts- und Kulturpolitik im Umgang mit der Kaukasusregion sendet. Wir werden dann unsererseits zu jeder Zusammenarbeit bereit sein und unsere Kenntnisse und Fähigkeiten gerne zur Verfügung stellen. Die Verantwortlichen der Kultur- und Wissenschaftspolitik der Stadt Hamburg sollten sich genauer darüber informieren, wo die kreativen Ressourcen der Kaukasusregion liegen und wo sich ein Engagement lohnt.
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