Montag, 31. Oktober 2016

"Suliko" in Hamburg - Georgische Tafelkultur

 Unlängst wurde in Hamburg das erste georgische Restaurant eröffnet. Das war überfällig, denn den meisten Metropolen der Welt gibt es georgische Restaurants schon längst.
„Mit der Eröffnung unseres Restaurants im Herzen von Hamburg wollen wir Ihnen ein Gefühl der Gastfreundlichkeit und Festlichkeit vermitteln“, steht auf der Webseite des Restaurants.

Täglich und überall wird in Georgien ein Trinkspruch erhoben – auf die Liebe und die Sehnsüchte, auf die Götter und die Mythen. Gastfreundschaft ist einer der Inhalte der georgischen Tafelkultur. „Der Gast ist Gottes Gesandter“ – dieser Spruch, in Georgien gebräuchlich, stellt in seinem christlichen Verständnis eine natürliche Fortsetzung archaischer Traditionen dar. Mehr über die Tafelkultur in Georgien erfahren Sie hier.
Das Hamburger Lokal heißt „Suliko“Damit hat es eine besondere Bewandtnis: „Suliko“ ist der Titel eines Liedes, das 1895 von Warinka Tsereteli komponiert und 1898 von der englischen Firma „Phonogram“ aufgenommen wurde. Die Popularität dieses Liedes ist bis heute unverändert groß.
Heute ist es in mehrere Sprachen übersetzt, arrangiert von Jazz bis Schostakowitsch und in verschiedenen Musikrichtungen von verschiedenen Sängern und Sängerinnen gesungen worden. Dieses Lied wird in Europa oft als Ausdruck der „russischen Seele“ bezeichnet. Es existieren einige deutsche Versionen, u. a. gesungen von dem bekannten deutschen Schauspieler Ernst Busch. (über die georgische Liedkultur und zu dem Lied hier)
Sie werden in dem neuen Restaurant „Suliko“ ganz sicher das eine oder andere Mal vom Inhaber persönlich verwöhnt werden, wenn er möglicherweise am Klavier gerade dieses Lied spielen wird.
Aber was oder wer ist „Suliko“? Warika Tsereteli erinnert: „... die Musik ist glaubhafter als die Wörter, sagte mir der Dichter mal und ich vertonte seine Gedichte“ – die Komponistin meint den Dichter Akaki Tsereteli, vom Volk mit Respekt und liebevoll als „König ohne Krone“ betitelt. Das Stammwort „Suli“ bedeutet Geist oder die Seele, durch die Endung „ko“ könnte es auch ein Name sein. „... Wo bist du meine Liebe, Suliko?“ – ertönt die Frage immer wieder in dem Lied. Bis heute weißt man nicht eindeutig, wen oder was der Dichter sucht. Angeregt durch diese Frage sind einige lesenswerte Aufsätze entstanden, die eine Übersetzung wert sind.
Bereits die alten Römer und Griechen wussten die Freundlichkeit und Gastfreundschaft der Georgier zu schätzen und nannten das Schwarze Meer Pontos Euxenios, das gastliche Meer. Selbst in schweren Kriegszeiten, die das kaukasische Land bis in die neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts immer wieder und ausdauernd erlebt hat, haben die Georgier jede Gelegenheit wahrgenommen, Feste zu feiern. Verwandte und Freunde werden geladen, der Tisch wird reich gedeckt mit typisch lokalen Speisen und Weinsorten. Der Älteste oder Würdigste in der Runde wird zum Tamada, dem Tischvorsteher und -redner, auserwählt.

Die Bedeutung des Gastmahls ist nicht verwunderlich, wenn wir uns vor Augen führen, dass im georgischen „Puroba“, der Bezeichnung für „Tafel“, das Wort „Puri“ enthalten ist, was „Brot“ bedeutet. Von insgesamt 27 Weizenarten sind allein 14 als einheimische Arten in Georgien registriert und werden wegen ihres biologischen Wertes als genetische Ressource für die Welt aufbewahrt. Das Wort „Wein“ – auf Lateinisch „Vino“ ist georgischer Herkunft und heißt dort „G’vnino“. Es gibt in Georgien über 500 einheimische Weinrebensorten, ernstzunehmenden Auffassungen zufolge ist das Land als die Heimat des Weins anzusehen.
Das Brot im Restaurant „Suliko“ wird nach georgischer Art in einem Tongefäß gebacken. Zur Auswahl stehen georgische Weine. In Georgien selbst gibt es immer mehr Verständnis für Qualitätsweine und es gibt biologisch angebaute exklusive Weine auf dem Markt.
Es könnte sein, dass die kleine Figur auf dem Schild am Mittelweg 24 eine besondere Synthese der kaukasischen Kultur treffend charakterisiert. Diese Figur ist gekleidet wie die Mitglieder einer Zunft sich vormals kleideten. Die Ost-West-Trennung ist im Kaukasus unbekannt: „... weil ausgerechnet hier in Tbilisi Europa und Asien einander die Hände geschüttelt haben“. (Aka Morchiladze)
Das Leben in den Städten, insbesondere in Tbilissi und in Kutaisi, der sagenhaften Stadt des früheren Kolchis, die in dem multiethnischen Transitland Georgien zu Metropolen der Kaukasusregion wurden
In diesen Städten sind georgische Adaptionen westlicher und östlicher Kulturelemente zu beobachten zum einen die Verschmelzung der beiden Kulturen, zum anderen eine Anpassung dieser an die eigene Kultur.
Die Georgier nennen sich Kartweli. Die georgische Sprache gehört zu der isoliert stehenden kartwelischen Sprachfamilie und hat ihre eigene Schrift. Die ersten Inschriften stammen aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. Das erste erhaltene Buch aus dem 5. Jahrhundert können die heutigen Georgier ohne große Mühe lesen. Das Menü ist zweisprachig gestaltet, zu unserer Überraschung allerdings auf Deutsch und Russisch. Das ist sicher hilfreich für zahlungskräftige Hamburger Russen, die die georgische Küche sehr zu schätzen wissen.
Außerordentlich schade ist, dass eines der 14 ältesten Alphabete der Welt, die rätselhafte georgische Schrift, nicht zu sehen ist. Wir hoffen sehr, dass dies möglichst bald korrigiert wird.


Wir wünschen viele zufriedene Gäste und dem „Suliko“ viel Erfolg!
მიირთვით, ისიამოვნეთ!
GUTEN APPETIT wünscht Ihnen der Elbsalon!
Fotos: eigener Archiv 














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